Fachhochschule Campus Wien
Favoritenstraße 226, 1100 Wien
Weitere Beispiele der Hochschule

Virtuelle Realität als Lehrkonzeption

Ziele/Motive/Ausgangslage/Problemstellung

Der theoretische Ausgangspunkt soll verdeutlichen, dass Didaktik nicht nur mehr Theorie der Abbildung ist, sondern sich als eine interaktive virtuelle Umgebung der eigenen Wissensfindung definiert. Das situierte Lernen im Sinne der konstruktivistischen Didaktik ist auch ein wesentlicher Bestandteil für kompetenzorientierte Lehre und somit dieses Pilotprojekts. Die Lehrkraft kann demnach eine multimodale und kommunikationsorientierte virtuelle Umgebung schaffen, welche die subjektiven Erfahrungen der Studierenden anspricht.

Durch die eingebettete, sich adaptierende künstliche Intelligenz der “Gaming Engines“ sollten Studierende zu selbstständigen forschungsrelevanten Tätigkeiten motiviert werden.

Kurzzusammenfassung des Projekts

Innovative Didaktik in virtuellen Welten:

Zu lange beschäftigte sich die Didaktik grundsätzlich auf schulischen Unterricht als Handlungswissenschaft von Lehrern/innen. Allein die Inhalte der Fachwissenschaften den Schülern/innen in Form einer Abbilddidaktik zu vermitteln ist ein veraltetes Konzept. Das zu starre System wurde in den 1990er Jahren durch das Prinzip der konstruktivistischen Didaktik erweitert und bot nun breitgefächerte, lernfördernde Konzeptionen. Die Didaktik war nun nicht mehr allein auf schulische Institutionen beschränkt, sondern manifestierte sich als eine fachübergreifende Methodik. Nicht nur die Vermittlung direkter Lerninhalte, aber ebenso die Formen des Lehrens und des Lernens sind wichtige Lernpfeiler moderner Didaktik geworden. Basierend auf neuartigen Technologien, wie der virtuellen Realität, können didaktische Methoden innovativ adaptiert und erweitert werden.

 

Wichtig ist vor allem für jedes einzelne Lernziel ebenso das passende Lehrszenario auszuwählen. Zu viel nicht relevante Information oder gar visuelle Ablenkung kann ebenso ein kontraproduktives Ziel erwirken. Daraus folgend wird ein optimiertes maßgeschneidertes Lehrszenario als optimal erachtet. Ein gewichtiger Vorteil einer virtuellen Welt ist die Einbettung der personalen Präsenz. Menschen können in der virtuellen Welt getroffen werden, unsere digitalen Avatars können sich an unterschiedlichen Orten befinden und mit anderen Nutzern interagieren.

Nähere Beschreibung des Projekts

„Game Based“ Learning:

Das Spielen ist grundlegend ein Lernprozess, wobei die Spielregeln, die Konzeption und weitere Inhalte auf motivierender Basis ungezwungen vermittelt werden. Die wohl beliebteste Form der Formulierung von virtuellen Umgebungen sind virtuelle Spielwelten, das „Game Based“ Learning. Dabei wird der Lehrstoff durch Spiele vermittelt, wobei Studien belegen, dass dieses Konzept einen sehr motivierenden Faktor bei den Benutzern/innen aufweist (Fromme et. Al. 2008). Das auf Spielen basierende Lernen verfolgt primär eine pädagogische Absicht, welche klassische Merkmale von Spielen beinhaltet. Da der Inhalt der virtuellen Spielwelten demnach ebenso ernst ist, definierte man den Begriff „Serious Games“ oder „Educational Games“. Diese virtuellen Spielwelten können in unterschiedliche Typen oder Genres unterteilt werden. Neue Genres werden ständig erfunden und passen sich dem Fortschritt der Technik und dem Zeitgeist maßgeschneidert an.

 

Spiele können in ein Lernszenario oder Lernaufgaben in Spiele integriert werden. Der motivierende Ansatzpunkt dabei ist, dass die Freude sowie Motivation beim Lernen gesteigert wird. Wenn bestimmte Spielabschnitte im Spiel absolviert werden, können neue Lehrinhalte freigeschalten werden. Eine „Multiple- Choice“ Auswahl, oder eigenständige Textaufgaben können nahtlos mit dem spielerischen Prinzip verknüpft werden. Nach wie vor ist aber die größte Herausforderung für die Umsetzung einer „Game Based Learning“ Konzeption die kohärente Verknüpfung des Lern- mit dem Spielmodus. Innovationen werden in nichtspielerischen Umgebungen ebenso als spieltypische Elemente integriert. Diese zeigen sich als das Sammeln von Punkten und die Integration von „High-Scores“ und Ranglisten, welche den Motivationsfaktor weiter steigern. Diese Art von „Gamification“ zeigt auf vielen Gebieten bereits große Beliebtheit. Gezielt wird auf die Einbindung unterhaltender Inhalte bei der Wissensvermittlung, wie bei Fernsehsendungen für Schulkinder, Quizsendungen für Erwachsene, interaktiven Sprachkursen, Gesundheitserziehung, bis hin zu elektronischen Haustieren mit einem Wissensvermittlungsfaktor, fokussiert.

 

Konstruktivistische Didaktik in der virtuellen Realität

Das situierte Lernen im Sinne der konstruktivistischen Didaktik ist auch ein wesentlicher Bestandteil für kompetenzorientierte Lehre. Die Lehrkraft kann demnach eine multimodale und kommunikationsorientierte virtuelle Umgebung schaffen, welche die subjektiven Erfahrungen der Studierenden anspricht. Des Weiteren fördern neue Aufgaben bei den Studierenden die interaktive und ebenso kreative Selbstorientierung und Erforschung der Lehrinhalte. Dies wird schon seit vielen Jahren in Computerspiele eingebaut, wobei gelöste Aufgaben neue Inhalte im Spiel freischalten. Aus der Erfahrung, wie Studierende Problemsituationen lösen, wächst neues Wissen, welches eine kreative Problemlösungskompetenz sicherstellt. Durch die mögliche Interaktion in virtuellen Welten ist das zu vermittelnde Wissen zu jeder Zeit dynamisch und anpassbar, ist somit zudem individuell unvorhersehbar.

 

Situierte Kognition der virtuellen Welten

Das Lehrkonzept der interaktiven virtuellen Welten basiert auf der situierten Kognition, wobei das Wissen der Lehrenden nicht als eine exakte Kopie an die Lernenden vermittelt werden soll. Das identische Wissen kann und soll nicht von einer Person auf die andere klonartig übermittelt werden, sondern basiert auf der Eruierung von Bedeutung in der Situation selbst. Die Lernergebnisse, die Lehrveranstaltung und Prüfung sollen nach dem Prinzip des „Constructive Alignment“ in enger Verbindung miteinander stehen und deren Abstimmung grundlegend optimiert werden. Diese drei Gebiete können alle in eine virtuelle Umgebung eingebettet werden, wobei das Wissen mithilfe eines dynamischen Lehrsystems erworben wird. Die Lehrveranstaltung kann durch Kreativität der Lehrenden gezielt ausgebildet werden. Durch Punktevergabe nach erfolgreichen Aufgaben kann der Effizienzgrad der Studierenden evaluiert, oder sogar ein System als finale Prüfung eingebettet werden. Das Lernergebnis wird transparent dargestellt und die Erwartung im kommenden Semester im Detail definiert. In den virtuellen Lernräumen werden diese Kompetenzen gelehrt. Ein Niveaustufenmodell bei den virtuellen Prüfungen gibt den Studierenden das Feedback, ob sie schlussendlich wirklich das erwartende Komplexitätsniveau erreicht haben.

 

Pilotprojekt an der FH Campus Wien:

Das Pilotprojekt untersuchte die Thematik der virtuellen Realität in Bezug zu innovativer „E-Learning“ Methodik und des „Game Based Learning“. Der theoretische Ausgangspunkt verdeutlichte, dass Didaktik nicht mehr Theorie der Abbildung ist, sondern eine interaktive virtuelle Umgebung der eigenen Wissensfindung. Als Vorzeigemodelle für das Immersive Lernen wurden zwei interaktive Applikationen nach dem „bottom-up“ Prinzip generiert. Diese sollten Studierenden, mit Hilfe von neuester Hardware / Software Integration, in der virtuellen Realität eigenständig Wissen vermitteln. Die Pilotprojekte in der virtuellen Realität förderten fachübergreifende Kompetenzen und motivierten Studierende sich problemorientiert auf ihr Ziel zu fokussieren. Da der Einstieg der Studierenden in die vorbereitete virtuelle Umgebung nicht zu einem speziellen Zeitpunkt getätigt werden musste, wurde somit zusätzlich auf die Bedürfnisse der berufstätigen Studierenden eingegangen. Das Lehrpersonal selbst war dabei für die Gestaltung und den Inhalt der virtuellen Lehrumgebungen verantwortlich. Mehrere Lehrende konnten an einer virtuellen Umgebung arbeiten und sich dabei gegenseitig unterstützen und konstruktiv anregen.

 

Die Vorteile des Pilotprojekts in der virtuellen Realität ermöglichen, dass die Nutzer/innen die Informationsoberfläche nicht nur betreten, aber ebenso die Daten manipulieren und untereinander teilen können. Neben den visuellen und auditiven Möglichkeiten bieten virtuelle Umgebungen zudem haptische und taktile Erfahrungen, welche das Gefühl vermitteln, sich wirklich in dieser Welt zu befinden. Diese virtuellen Welten können als naturgetreue Abbildungen, historische Schauplätze oder ebenso fiktive Welten abgebildet werden. Beim Geschichtsunterricht kann beispielsweise ein historischer Event in der virtuellen Realität nachkonstruiert werden, um den Studierenden die Thematik ebenso visuell näher zu bringen. Im Gegensatz zu einem vordefinierten Bewegungspfad bei einem Film oder einer Animation, kann die virtuelle Welt vollkommen frei erkundet werden, ebenso in Echtzeit. Beim Bauingenieurwesen kann analog eine virtuelle Baustelle mit unterschiedlichen virtuellen Elementen konzipiert werden. Die Studierenden lernen auf welche Gefahren an einer Baustelle geachtet werden sollte und wie der Ablauf einer Baustelle funktioniert. In der Architektur können berühmte Gebäude in der virtuellen Realität nachgebaut und besichtigt werden. Die Interaktion und die Bewegungsfreiheit sind die wesentlichen Vorteile.

 

Die erste Szene des Pilotprojekts ist eine naturgetreue nachkonstruierte Kopie der Veranstaltungsräumlichkeiten des Fotografiska Museums in Stockholm. Hierbei wird der/die Studierende in eine Innenraumszene gesetzt, wobei eine lehrende Person eine Thematik vorträgt. Die Umgebung ist im vollen Ausmaß interaktiv und in der Gesamtheit ausbaufähig. Ein besonderes Merkmal ist die Verbindung der praktischen Anwendung mit der Theorie. Die Anwender/innen können miteinander kommunizieren und erfüllen vordefinierte Aufgaben auf dynamischer Basis, welche nach einem vergebenen Punktesystem evaluiert werden. Das Gefühl von einem realen gemeinsamen Lehrsaal wird vermittelt, obwohl alle Benutzer/innen sich zum Zeitpunkt der Interaktion an unterschiedlichen Standorten befinden können. Die lehrende Person kann in Echtzeit auf die Bedürfnisse und Fragen der Studierenden reagieren. Weitere Lehrinhalte können unkompliziert eingefügt und bearbeitet werden. Diese können zusätzlich in unterschiedlichen Formaten als Videos, Bilder, Audio oder ein Vortrag in Echtzeit eingegeben werden. Durch die eingebettete, sich adaptierende künstliche Intelligenz der “Gaming Engines“ werden Studierende zu selbstständigen forschungsrelevanten Tätigkeiten motiviert. Basierend auf der gezielten Vorbereitung der virtuellen Umgebung für Lehrzwecke, ist das Konzept für Studierende nachvollziehbar und kompetenzorientiert.

 

Die zweite Szene ist eine „Open World“ Landschaft, situiert in der reellen Umgebungen der italienischen Abruzzen mit der Santa Maria Kirche. Hierbei bewegt sich der/die Studierende vollkommen frei in der virtuellen Realität durch die malerische Landschaft und aktiviert unterschiedliche Lehrinhalte, welche ihn/sie kontinuierlich auf dem Weg begleiten. Der zu vermittelnde Lehrinhalt ist die Funktionalität der 3D Software Rhinoceros. Der/die Studierende fängt an einem Ende des Weges an und arbeitet sich Schritt für Schritt durch kleine Demonstrationen mit steigendem Schwierigkeitsgrad entlang des Weges durch. Dabei müssen ebenso konstruktive Aufgaben in Echtzeit erfüllt werden, wobei gesteigerte Effizient mit einer höheren Punktezahl belohnt wird. Nach der Anschauung aller Demonstrationen und der Erfüllung aller Aufgaben, gelangen die Studierenden zu der fertig modellierten Santa Maria Kirche, welche aus Fragmenten, der sich auf dem Weg befindlichen Demonstrationen, konstruiert worden ist. Dabei verläuft der Lernprozess nicht ausnahmslos linear, da der/die Studierende auf dem Weg unterschiedliche Pfade bis zum Ziel einschlagen kann. Durch die spielerisch angeregte Lernoberfläche wird die Aktivität und Eigenverantwortung der Studierenden angeregt.

 

Die zwei Szenen sind als Pilotprojekte anzusehen und sollen den Anfang einer neuartigen Lehrkonzeption an der FH Campus Wien verdeutlichen. Durch die erörternden Möglichkeiten sollten ebenso das Design und das kreative Schaffen in die virtuelle Realität miteinbezogen werden, um dies gegenübergesetzt mit klassischen Entwurfsmethoden zu evaluieren. Ein wesentlicher Bestandteil wäre die fachübergreifende Lehre, welche die Studierenden zur engen Zusammenarbeit anregt und diese wesentlich fördert.

 

Die daraus gewonnenen Erfahrungen wurden im nachfolgenden Semester in die Lehrveranstaltung Gestalten und Entwerfen 5 beim „Green Building“ Studiengang an der FH Campus Wien integriert. Nach einer Einführung in die Software- (Unreal Engine) wie auch Hardwarekomponenten (Oculus Rift) benutzten die Studierenden die zwei Szenen der Pilotprojekte um nötiges Wissen für die Kreation ihrer eigenen Umgebung in der virtuellen Realität zu gewinnen. Das Ziel der Lehrveranstaltung bestand darin, eine persönliche virtuelle Welt zu konzipieren. Der große Vorteil war der reale Bezug zur Dimension im virtuellen Raum. Diese Art von Entwurfsprozess ermöglichte, im Gegensatz zu starren Designwerkzeugen, im stereoskopischen Raum in Echtzeit zu entwerfen. Durch die innovativen technologischen Möglichkeiten wurde ebenso der immersive Designprozess, gegen übergesetzt mit klassischen Entwurfsmethoden, evaluiert. Das Feedback der Studierenden nach der Veranstaltung war sehr positiv, da sie die Ihnen gebotenen dynamischen Lehrinhalte auf spielerischer Basis anhand der zwei Pilotprojekte, sehr geschätzt haben. Die Lehrziele waren klar definiert, wobei der Weg, wie diese zu erreichen seien, den Studierenden freigestellt war. Das in die Pilotprojekte eingebettete Punktesystem zur Evaluierung empfanden die Studierenden nicht als einen kritischen Aspekt sondern als zusätzliche Motivation.

 

Conclusio:

Die virtuelle Realität ermöglicht Studierenden einzigartige Erfahrungen, bedingt durch konsistente Instruktionen wie die „Hands-On“ Lehre, interaktive Gruppenprojekte, Simulationen, Exkursionen und Konzeptvisualisierungen. Virtuelle Umgebungen welche für Lehre benutzt werden, sind intuitiv und bieten in einem gemeinsamen Informationskontext eine einzigartige innovative Interaktivität, welche zugleich den individuellen Lehrbedürfnissen und Lernstufen angepasst werden kann und dynamisch Wissen vermittelt. Die kompetenzorientierte Beschreibung der Lernergebnisse in den virtuellen Welten soll künftig die klassischen Zielbeschreibungen ersetzen. Virtuelle Welten und die virtuelle Realität zeigen durch die Vielzahl an Applikationen eine steigernde Qualitätssicherung in der Lehre und basieren auf der konstruktivistischen Didaktik. Die virtuelle Realität verbindet die Vorteile der reellen Welt, des Internets wie der On-Line Applikationen mit den Vorteilen der virtuellen Welt. Dieses Konglomerat sichert damit neue Möglichkeiten beim Lehr-, Entwurfs- und Präsentations-Prozess und verspricht großes Potenzial. Die intendierten Kompetenzen und die eingebetteten Prüfungsmethoden in den virtuellen Welten sorgen für ein geschlossenes Gesamtbild der konstruktivistischen Didaktik. Die kreative Selbsterforschung der Lehrinhalte mit dynamischen Verlauf ist ein notwendiges Konstrukt der kontemporären Anforderungen an Studierende. JK

Positionierung des Lehrangebots

Bachelor / Master

Das Beispiel wurde für den Ars Docendi Staatspreis für exzellente Lehre 2017 nominiert.
Ars Docendi
2017
Kategorie: Persönlichkeitsorientierte und/oder kreativitätsfördernde Ansätze in Lehrveranstaltungen und Studierendenbetreuung
Ansprechperson
Roswitha Engel, FH-Prof.in Mag.a Dr.in
Vizerektorin für Lehre, Departmentleiterin, Pflegewissenschaft Studiengangsleiterin
+43 1 606 68 77-4001
Nominierte Person(en)
Jan Kokol, Dr. techn DI
Lehrbeauftragter
Themenfelder
  • Lehr- und Lernkonzepte
  • Digitalisierung
Fachbereiche
  • Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik/Ingenieurwissenschaften