Herz-Kreislauf Interdisziplinär

Ziele/Motive/Ausgangslage/Problemstellung

Das Curriculum der Medizinischen Universität Innsbruck ist in Modulen gegliedert, in denen ein Organsystem von allen betroffenen Fächern gelehrt wird.

Herz-Kreislauferkrankungen stellen die häufigsten Erkrankungen und Todesursache in Österreich dar und sind der häufigste Grund für Arzneimittelverordnungen. Im Modul "Herz-Kreislaufsystem" (5. Semester) gab und gibt es - wie es in der Natur der Medizin liegt - scheinbar unterschiedliche Lehrmeinungen zu einzelnen Aspekten; dies führte bei Studierenden zu Unsicherheiten ("Was kommt jetzt zur Prüfung?"). Daher entstand die Idee, eine gemeinsame Lehrveranstaltung von Lehrenden aus betroffenen Fächern im Rahmen der Hauptvorlesung durchzuführen; es stellte sich dabei heraus, dass nicht so sehr unterschiedliche Lehrmeinungen, sondern vielemehr unterschiedliche Herangehensweisen der einzelnen Fächer, aber auch subjektive Eindrücke der Studierenden diese scheinbaren Differenzen erzeugten. Um die unterschiedlichen Heransgehensweisen verschiedener Fächer auf ein Problem und die sich daraus ergebenden Konflikte in der täglichen Praxis darzustellen, entstand das Konzept der Integrativen Vorlesung. Anhand eines Patientenfalls sollen 3 Vortragende (Kardiologe, Pharmakologe, Allgemeinmediziner) die Situation aus ihrer fachlichen Perspektive und in gemeinsamer Diskussion unter Einbeziehungen der Studierenden vorstellen und versuchen, eine Synthese zu finden.

Kurzzusammenfassung des Projekts

Im Rahmen einer Haupvorlesung/Pflichtvorlesung des 5. Semesters des Humanmedizinstudium bearbeiten drei Vortragende aus unterschiedlichen Fächern (Kardiologe, Pharmakologe, Allgemeinmediziner) einen realen Patientenfall in gemeinsamer Diskussion untereinander unter Einbeziehungen der Studierenden und versuchen, eine Synthese zu finden.

Der Kardiologe steht dabei für die universitäre Spitzenmedizin auf dem neuesten Stand der Wissenschaft und der Leitlinien unter Ausschöpfung aller Möglichkeiten eines Schwerpunktkrankenhauses, der Pharmakologe steht für die kritische Interpretation von Ergebnissen klinischer Studien und ihrer Anwendbarkeit auf den individuellen Patienten sowie die Berücksichtigung aller Begleiterkrankungen unter besonderem Augenmerk auf Polypharmazie und Interaktionen; der Allgemeinmediziner steht für die praktische Umsetzung der Therapie unter den Einschränkungen des täglichen Praxisbetriebes in der Peripherie und den einschränkenden Vorgaben der Krankenversicherung.

Die Studierenden lernen dabei, die scheinbaren Wiedersprüche zwischen den Fächern zu verstehen und werden auf diesen Aspekt für ihre spätere berufliche Tätigkeit vorbereitet.

Kurzzusammenfassung des Projekts in englischer Sprache

As part of a compulsory lecture within the 5th semester of a medical curriculum, three lecturers from different medical disciplines (cardiologist, pharmacologist, general practitioner) work on a real patient case in a joint discussion with students and try to find a synthesis.

The cardiologist represents top university medicine at the cutting edge of science and the guidelines, having all resources of a university clinic to his disposal; the pharmacologist represents the critical interpretation of results from clinical trials and their applicability to the individual patient as well as the for consideration of all accompanying diseases with special attention on polypharmacy and interactions; the general practitioner represents the practical implementation of a therapy under the restrictions of daily outpatient practice and the restrictions provided by public health insurance.

Students learn to understand the apparent contradictions between the disciplines and are prepared for this aspect for their later professional activities.

Nähere Beschreibung des Projekts

Das Projekt "Herz-Kreislauf Interdisziplinär" findet im Rahmen einer Pflichtlehrveranstaltung des 5. Semesters statt (1-2 Unterrichteinheiten), dadurch wird das breitestmögliche Publikum erreicht und kann damit für die Wichtigkeit der interdisziplinären Zusammenarbeit in der Medizin sensibilisiert werden.

Drei Lehrende aus den Disziplinen Innere Medizin/Kardiologie, Pharmakologie und Allgemeinmedizin bereiten zwei verschiedene Patientenfäll in einer Präsentation vor (Anamnese, Status, Befunde und Verlauf/Epikrise etc.). Im Rahmen der Vorlesung in einem großen Hörsaal wird jeder Fall zunächst vom behandelnden Arzt vorgestellt, anschließend legen die anderen Vortragenden ihre Sicht der Dinge dar, zeigen Probleme und Verbesserungsmöglichkeiten auf.

Daraus ergibt sich eine lebendige, teilweise auch bewusst kontroversiell geführte Diskussion unter den Vortragenden. Die Studierenden werden in diese Diskussionen eingebunden. Diese Diskussion veranschaulicht den Studierenden die Schwierigeiten in der ärztlichen Entscheidungsfindung und regt zu vernetztem fächerübergreifenden Denken an. Eine Lösung des Falles/Dilemmas wird dabei bewusst nicht präsentiert, um den Studierenden zu verdeutlichen, dass es in der Medizin typischerweise keine eindeutige und einfache Lösung eines Falles gibt (im Unterschied zu einer multiple-choice-Prüfung) und die Einbeziehung verschiedener fachlich wohlbegründeter Meinungen in der Entscheidungsfindung wichtig ist.

Nutzen und Mehrwert

Die Studierende lernen, scheinbare Wiedersprüche zwischen den medizinischen Disziplinen zu verstehen und werden auf relevante Aspekte ihrer späteren beruflichen Tätigkeit vorbereitet, wie den Unterschied Spitzenmedizin/niedergelassener Bereich, die Problematiken klinische Studie/individueller Patientennutzen sowie Interaktionen/Polypharmazie. Zudem werden die Studierenden für die Wichtigkeit der interdisziplinären Zusammarbeit zum Wohle der Patienten sensibilisiert.

Nachhaltigkeit

Das Lehrprojekt wird seit 2019 eingesetzt und wurde ständig weiterentwickelt. Zu Zeiten der Covid-19 - Lockdowns wurde das Projekt als Videokonferenz fortgeführt, seit 2022 findet das Projekt wieder als gemeinsame Lehrveranstaltung in Präsenz statt.

Dissemination/Transfer

Das Konzept ist auf andere Lehrveranstaltung übertragbar, gerade im Rahmen eines Modulsystems, das für die interdisziplinäre Lehre geradezu prädisponiert.

Eine Übertragung auf andere Module im Studium Humanmedizin der MUI wird vorbereitet.

Institutionelle Unterstützung

Das Projekt benötigt keine zusätzlichen Resourcen.

Positionierung des Lehrangebots

Diplomstudium Humanmedizin, 5. Semester

Das Beispiel wurde für den Ars Docendi Staatspreis für exzellente Lehre 2023 nominiert.
Ars Docendi
2023
Kategorie: Kooperative Lehr- und Arbeitsformen
Ansprechperson
Dr. med. univ. Georg Wietzorrek
Institut für Pharmakologie
+43 512 9003 70450
Nominierte Person(en)
Dr. med. univ. Georg Wietzorrek
Institut für Pharmakologie
ao.Univ.-Prof. Dr. Johannes Mair
Universitätsklinik für Innere Medizin III
Univ.-Prof. Dr.med.univ. Alfred Andreas Doblinger
Institut für Allgemeinmedizin
Themenfelder
  • Kooperationen in der Lehre
  • Lehr- und Lernkonzepte
  • Schnittstelle zum Arbeitsmarkt
Fachbereiche
  • Medizin und Gesundheitswissenschaften