Technische Universität Graz
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Weitere Beispiele der Hochschule

Studierendenzentrierung durch Lernziel-Taxonomie und Educational Balanced Scorecard am Beispiel von "Computational Geotechnics"

Würdigung der Jury

Die Lehrveranstaltung zur numerischen Geotechnik der TU Graz umfasst Vorlesung und integrierte Übung und wird in ähnlicher Weise auch an der Universität Innsbruck und der TU Wien angeboten. Weil sie als unattraktiv und schwer zugänglich galt, ist sie einer intensiven Überarbeitung unterzogen worden. Mit unterschiedlichen Maßnahmen werden die Studierenden dabei unterstützt, die mit ihnen zu Beginn abgestimmten Lernziele zu erreichen. Die erworbenen Fachkompetenzen können sie an Übungsbeispielen testen. Schließlich arbeiten sie unter professioneller Begleitung in Projektteams an einer praktischen Problemstellung mit. Die Berücksichtigung der unterschiedlichen Herkunftsländer der Studierenden bei den Falldiskussionen, die Einbindung studentischer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen als Peers sowie die Förderung besonders begabter Studierender ergänzen das überarbeitete Lehrangebot.

Das Lehrprojekt bietet ein sehr gutes Beispiel dafür, wie eine Pflichtveranstaltung mit schwierigen Inhalten, die ein größeres und zugleich heterogenes Zielpublikum erreichen soll, für Studierende attraktiv und kompetenzorientiert gestaltet werden kann. Die Kombination der verschiedenen Elemente der Lehrveranstaltung ist gut nachvollziehbar. Unterschiedliche Lernniveaus werden eigens berücksichtigt, Begabungen werden gefördert. Besonders beeindruckend ist, wie es gelingt, die unterschiedlichen Herkunftsländer der Studierenden produktiv für die Lehre zu nutzen.

Univ.-Prof.in Dr.in Mechthild Dreyer
Rheinland-Pfälzische Technische Universität

Ziele/Motive/Ausgangslage/Problemstellung

Ausgangslage & Problemstellung:

Die numerische Geotechnik (engl. „Computational Geotechnics“) stellt einen Eckpfeiler der modernen Geotechnik dar, welche zahlreiche Schnittstellen zu ingenieurwissenschaftlichen Einzeldisziplinen aufweist; beispielhaft seien der Erd- und Grundbau, der Tunnelbau und der Wasserbau erwähnt. In vielen Fällen spielt die numerische Geotechnik daher eine interdisziplinäre Schlüsselrolle bei der Prävention und Bewältigung gesellschaftsrelevanter Herausforderungen. Dies schließt die Entwicklung erdbebensicherer Baumethoden, die Nutzung der Geothermie als regenerative Energiequelle bzw. die ressourcenschonende Bereitstellung der Infrastruktur beim Ausbau des öffentlichen Personenverkehrs ein. Die Konsequenzen unzureichender Kompetenzen in Bezug auf die numerische Geotechnik sind jüngst im Zuge der verheerenden Erdbebenkatastrophe in der Türkei und Syrien sichtbar geworden. Ausreichend viele Argumente um unsere Zielgruppe, die Generationen „Z“ und „Alpha“ für die gegenständlichen Lehrveranstaltung (LV) in den (virtuellen) Hörsaal zu locken, mag man meinen.

Dennoch haftet „Computational Geotechnics“, stellvertretend für zahlreiche MINT-Disziplinen, oftmals ein unattraktives bzw. unüberwindbares Stigma an, wodurch es in vielen Fällen schwierig ist, Studierende für das Fachgebiet zu gewinnen. Weitere Herausforderungen in Bezug auf die gegenständliche LV sind der wertschöpfende Umgang mit einer traditionell heterogenen Studierendenkohorte mit vielfältigem kulturellen und sprachlichem Background (Charakteristika, die gezielt gefördert werden sollen), die studierendenzentrierte Bereitstellung eines flexiblen Lehr-Lernkonzepts (L-L-K), der Spagat zwischen der „Arbeitsmarktbefähigung“ (Praxis) und dem Prinzip „Wissenschaftlichkeit“ (Forschung), die Sicherstellung eines hohen Maßes an (sozialer) Inklusion, sowie die Bewusstseinsbildung für die Bedeutung der Geotechnik beim Erreichen der 17 UN Sustainable Development Goals.

Motive & Ziele:

Vor diesem Hintergrund stellt das im Rahmen des Projekts entwickelte L-L-K das Zwischenergebnis eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses dar, welches den geotechnischen Nachwuchs beim Erwerb forschungsbasierter und praxisorientierter Handlungskompetenzen unterstützt. Dabei wird weniger eine reine Wissensvermittlung, als vielmehr die Vermittlung von Problemlösungstechniken zur selbstständigen Bearbeitung praxisnaher Aufgabenstellungen angestrebt, denn "selber denken macht schlau". Dazu haben wir – beginnend mit dem WS 2020/21 – die mit der Pandemie verbundenen Entwicklungen im Lehrbetrieb zum Anlass genommen, das L-L-K ganzheitlich weiterzuentwickeln – und zwar mit dem klaren Ziel, allen LV-Teilnehmenden durch ein studierendenzentriertes Bündel an innovativen Lehr-Lernformen und digitalen Technologien einen verbesserten Lernerfolg zu ermöglichen. Das Maßnahmenbündel wird auf Basis einer Educational Balanced Scorecard systematisch evaluiert und laufend studierendenzentriert erweitert.

Kurzzusammenfassung des Projekts

Beginnend mit dem WS 2020/21 ist ein Change-Prozess zur Erhöhung des Lernerlebnisses (LE) in der LV „Computational Geotechnics“ angestoßen worden. Um eine ganzheitliche Qualitätsverbesserung zu erzielen, ist eine Vielzahl beteiligter Personengruppen unter Berücksichtigung unterschiedlicher Feedback-Kanäle einbezogen worden. Das gegenständliche Projekt beinhaltet somit einerseits einen integrierten Ansatz zur kontinuierlichen Erhöhung des LE, andererseits das abgeleitete 6-in-3 Lehr-Lernkonzept (L-L-K).

Im Zuge des Projekts ist eine Educational Balanced Scorecard als zentraler Hub zur Erhöhung des LE entwickelt worden. Unter Bedachtnahme der 4 Perspektiven „Students“, „Teaching & Secretarial Procedures“, „Education & Development“ und „Finance“ ist es damit möglich, Verbesserungspotenziale durch Abstimmung von Zielen, Zielgrößen bzw. Maßnahmen effektiv auszuschöpfen; zudem erlaubt sie eine zyklusübergreifende Evaluierung der Treffsicherheit der Qualitätssteigerungsmaßnahmen und bildet den Ausgangspunkt für die iterative Überarbeitung des L-L-K.

Das L-L-K integriert 6 Taxonomiestufen (erinnern, verstehen, anwenden, analysieren, evaluieren, kreieren) und 3 Lehr-Lernformen. Die zugrundeliegenden Ziele sind vielschichtig, u.a. flexible und reflexive Lernformen zur Erhöhung der Work-Study-Balance, Erhöhung der Interaktion zwischen Lehrenden und Studierenden, Peer-Teaching zum frühzeitigen Abbau von Lernbarrieren bzw. individuelle Förderung der heterogenen Studierendenschaft.

Kurzzusammenfassung des Projekts in englischer Sprache

Winter semester 2020/21 has marked the beginning of a change process, at the core of which the learning experience (LE) of the lecture „Computational Geotechnics“ (CoGe) has been continuously improved. As part of this process, a large number of stakeholders has been involved in order to enhance the LE in a holistic manner, taking into account different feedback levels. The project therefore consists of two components; namely, an integrated approach for continuous improvement in lecture quality, as well as the deduced 6-in-3 teaching-learning concept (T-L-C).

In the course of the project, an Educational Balanced Scorecard (E-BSC) has been developed which serves as central hub for a systematic increase in LE. Considering four different dimensions, the latter allows to translate lecture related goals into a set of performance objectives which, in turn, are continuously measured, monitored and adapted if necessary to ensure a high level of LE. In this way, the E-BSC also forms the starting point of an iterative revision process.

The T-L-C addresses 6 taxonomy levels - remember, understand, apply, analyse, evaluate, create - by combining 3 different teaching-learning methods. The underlying goals are manifold, including flexible and reflective forms of learning to increase the work-study balance, increase of teacher-student interaction, peer-teaching elements to remove learning barriers at an early stage, and individual support for the heterogeneous student body.

 

Nähere Beschreibung des Projekts

Das Lehr-Lernkonzept (L-L-K) der LV „Computational Geotechnics“ stellt das Ergebnis eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (KVP) dar, welches den Ingenieurnachwuchs beim Erwerb forschungsbasierter und -orientierter Handlungskompetenzen zur Lösung geotechnischer Probleme mittels Simulationsverfahren unterstützt. Der KVP ist mittels Educational Balanced Scorecard (E-BSC) systemisch gesteuert worden; durch den Einsatz dieses strategischen Instruments, welches seinen Ursprung in der Managementlehre hat, können Verbesserungspotenziale identifiziert, zielgerichtete Maßnahmen abgeleitet, sowie deren Wirksamkeit iterativ überprüft werden. Neben der Beschreibung des entwickelten L-L-K in (1) werden unter (2-5) wesentliche Eckpfeiler umrissen.

Lehr-Lernkonzept:

In Anlehnung an die sechs Taxonomiestufen (TAX-S) nach Anderson et al. (2001) gliedert sich das Lehrkonzept in drei integrierte Säulen:

Teil 1: Synchrone Präsenzlehre mit lernbegleitendem Einsatz von Audience Response Systemen (ARS)

Zu Beginn werden ausgewählte Lernzielinkremente in einem partizipativem Prozess gemeinsam mit den Studierenden festgelegt, um auf individuelle Vorerfahrungen und Erwartungen eingehen zu können; die Studierenden haben dabei die Gelegenheit, inhaltliche Themenfelder mitzubestimmen. Diese gemeinsame Lernzielgestaltung hat das Interesse an den behandelten Themenfeldern gehoben und eine aktivere Diskussionskultur angeregt.

Darauf aufbauend werden wesentliche Berechnungsverfahren, physikalischen Zusammenhänge und praktischen Anwendungen in der klassischen Form einer synchronen Vorlesung vorgestellt, wobei die TAX-S „erinnern“ und „verstehen“ im Mittelpunkt stehen. Nach Abschluss jedes Lerninkrements erfolgt eine anonymisierte Selbstüberprüfung mittels ARS „feedbackr“; erfahrungsgemäß sind in rd. 25 % der Fälle die Ergebnisse wenig zufriedenstellend, was bereits im Vorfeld bei der Zeitplanung berücksichtigt wird. In diesen Fällen wird den Studierenden ein differenziertes Angebot gemacht: Unklare Inhalte werden wiederholt, um das Überforderungsgefühl zu nehmen; unterstützend liegen (interaktive) Animationen vor, welche komplexe Lerninkremente studierbarer machen. Im Gegensatz dazu haben unterforderte Studierende in dieser Zeit die Möglichkeit, sich eigenständig mit weiterführenden Aufgabenstellungen auseinanderzusetzen. Am Ende jedes Vortragsblocks wird mittels ARS „Slido“ ein Quiz mit Wettbewerbscharakter abgehalten, wobei die erzielten Punkte über alle Vortragsblöcke hinweg gesammelt werden. Am Ende von LV-Teil 1 werden allen teilnehmenden Studierenden auf Basis der Ergebnisse Preise (z.B. Sportrucksack) verliehen. Diese Maßnahme stellt einen wirksamen Anreiz dar, um in Präsenz in den Hörsaal zu kommen, und erhöht die aktive Mitarbeit der Studierenden.

LV-Teil 1 schließt mit der Special Lecture „Research“ ab, in welcher verschiedene Forscher*innen über ihre Forschungsgegenstände berichten. Obwohl diese LV-Einheit auf freiwilliger Basis besucht werden kann, stößt sie auf großes Interesse und hat in den letzten Jahren zu einem kontinuierlichen Anstieg an zu betreuenden Masterarbeiten geführt.

Teil 2: Virtuelles Inverted Classroom Modell (VICM) mit assistierter Selbstreflexion

LV-Teil 2 bietet den Studierenden eine Plattform um die erworbenen Kompetenzen unter Verwendung einer geotechnischen Finite Elemente Spezialsoftware anhand laufend aktualisierter Übungsbeispiele aktiv anzuwenden (TAX-S "anwenden" und "analysieren"). Zu Beginn des LV-Teils wird das interaktive Lern-Tool „Mentimeter“ verwendet, um den Lernort der Studierenden auf freiwilliger Basis sichtbar auf einer Landkarte zu vermarken; diese Maßnahme fördert die Entwicklung einer Peer-Learning-Mentalität und die Initiierung von Lerngruppen.

Anschließend wird das didaktische Konzept VICM eingesetzt, welches (a) dem Wunsch vieler Studierenden nach örtlicher & zeitlicher Flexibilität bei der eigenständigen Bearbeitung der Übungsaufgaben gerecht wird, (b) ein maßgeschneidertes Instrument zur Selbstbeurteilung des Lernfortschritts darstellt und (c) eine individuelle Förderung der Studierenden ermöglicht. In jeweils drei aufeinanderfolgenden Zyklen wird den Studierenden zunächst ein hochwertiges h5p-Video (rd. 40 Minuten) zu Verfügung gestellt, in welchen die Übungsbeispiele theoretisch vorgestellt werden. In den Videos werden laufend Querverbindungen zu den entsprechenden Vorlesungsinkrementen aus LV-Teil 1 hergestellt und in Form von h5p-Elementen (z.B. Multiple Choice Fragen, Image Hotspots, Drag & Drop) vertieft. Während der asynchronen Bearbeitung der Übungsbeispiele haben die Studierenden auf freiwilliger Basis täglich die Gelegenheit ein synchrones Betreuungsangebot in Form von Q&A-Sessions in Anspruch zu nehmen, in welchen offene Fragen in der Gruppe diskutiert, wesentliche „lessons learnt“ erläutert und Musterlösungen präsentiert werden. Durch die Einsehbarkeit fehlerhafter h5p-Antworten ist es möglich, die Q&A-Sessions im Vorfeld zielgerichtet vorzubereiten und individuelle Verständnisprobleme effektiv in der Gruppe auszuräumen. Erste Erfahrungswerte haben gezeigt, dass diese Lehr-Lernform eine vertrauensvolle Lernumgebung fördert und zum Mitlernen motiviert.

Teil 3: Lernteam-Coaching

Abschließend stehen die TAX-S „evaluieren“ und „kreieren“ im Mittelpunkt. Dabei arbeiten die Studierenden in der Rolle eines Junior Geotechnical Engineers in Projektteams an einer praktischen Problemstellung, welches unter Bereitstellung von „echten“ Projektunterlagen in Kooperation mit Partner-Unternehmen konzeptioniert wird. Die Fragestellungen umfassen z.B. die Planung einer tiefen Baugrube samt Maßnahmen zur Bändigung kritischer Grundwassersituationen oder die ressourcenschonende Optimierung eines Tunnelvortriebs. Neben der Anwendung fachspezifischer Kompetenzen trainieren die Studierenden dabei Projektmanagement-Skills und das Arbeiten in Teams unter einem gewissen Leistungs- und Zeitdruck. Zur Weiterentwicklung und Reflexion der Studierendenteams finden projektbegleitend Fortschrittmeetings in Präsenz statt, in welchen die Studierenden individuelle Hilfestellung seitens der LV-Leitung erhalten. In den Fortschrittmeetings wird stets versucht eine ergebnisoffene Diskussion zu führen, womit die Studierenden ermutigt werden innovative Lösungswege zu wählen. Dies führt zu einer Win-win-Situation: Einerseits profitieren die Studierenden im späteren Berufsleben durch die Arbeit an einem realen Praxisprojekt bzw. Erstellung eines praxiskonformen technischen Berichts; andererseits verkürzt sich durch die Sensibilisierung der Studierenden für ihr späteres Berufsumfeld samt verbundener Moderationsaufgaben die Onboarding-Zeit in den kooperierenden Unternehmen.

Prüfung:

Vor dem Hintergrund des Constructive Alignment orientiert sich das zuvor skizzierte L-L-K primär am 2-stage Exam. Der erste Teil umfasst mündliche Fragen zu den im Learning Goal Widget definierten Kompetenzfeldern. Im zweiten Teil erfolgt eine kritische Auseinandersetzung mit dem technischen Bericht, in welcher einem Diskurs auf Augenhöhe ausreichend Raum eingeräumt wird. Bei verbleibenden Unstimmigkeiten werden die Studierenden durch gezielte Leitfragen („Welche Anforderungen erfüllt Ihre Lösung aus Ihrer Sicht nicht?“, „Was denken Sie, woran dieses Problem liegen könnte?“) in eine zielführende Richtung gelenkt. Dieses Format hat sich als besonders geeignet erwiesen, da das gesamte Taxonomiespektrum, beginnend mit niedrigen TAX-S (Wiedergabe von Fachwissen) bis hin zu den hohen TAX-S (kritische Beurteilung des technischen Berichtes) abgedeckt wird.

Feedbackkultur:

Der wechselseitige Austausch aller beteiligten Personen im Sinne einer lebendigen Feedbackkultur bildet das Rückgrat einer kontinuierlichen, studierendenzentrierten Erhöhung des Lernerlebnisses – und damit der LV-Qualitätserhöhung von „Computational Geotechnics“.

Lehrendenseitig erhalten die Studierenden regelmäßiges Feedback, z.B. durch synchrone Rückmeldungen zu den interaktiven Quizfragen via ARS (LV-Teil 1), reflexive h5p-Elemente in Kombination mit lernfortschrittorientierten Q&A-Sessions (LV-Teil 2) und aktives Coaching in Fortschrittmeetings (LV-Teil 3) sowie abschließend im Rahmen des 2-stage Exams.

Um studierendenseitig viel Feedback zu generieren, werden unterschiedliche Feedback-Ebenen genutzt. Als traditionelles Feedback-Tool wird das traditionelle Evaluierungssytem der TU Graz eingesetzt; die Ergebnisse werden im Sinne einer hohen Transparenz öffentlich zugänglich gemacht, erlauben jedoch erst im nachfolgenden Studienjahr eine entsprechende Anpassung (langfristiges Feedback). Zusätzlich dazu wird das digitale Quiz-Tool „feedbackr“ zweckdienlich verwendet, um Verbesserungspotenziale bereits in der nächsten LV-Einheit auszuschöpfen (kurzfristiges Feedback). Durch das konsequente Umsetzen von Maßnahmen zum Aufbau einer vertrauensvollen Lernumgebung ist es uns vermehrt gelungen, Studierende zur aktiven Kontaktaufnahme zu bewegen (aktives Feedback); diese Feedbackform erachten wir als besonders hochwertig, da sie nicht anonymisiert ist.

In jährlichen Intervallen wird gezielt von außen Feedback eingeholt (externes Feedback). Dies erfolgt auf Basis eines Benchmark-Vergleichs mit ausgezeichneten LV (z.B. über das „Journal of Emerging Technologies in Learning“) bzw. bei der Erarbeitung der Projektaufgabe (LV-Teil 3) mit kooperierenden Unternehmen. Zudem besucht das Lehrenden-Team im Sinne der kollegialen Hospitation wechselseitig ausgewählte LV-Einheiten (kollegiales Feedback).

Die Rückmeldungen aller Feedback-Kanäle (kurzfristig, langfristig, aktiv, extern, kollegial) werden mittels E-BSC laufend erfasst, um nachhaltig wirksame KVP-Maßnahmen zu entwickeln.

Heterogenität der Studierendenschaft:

Zusätzlich zu den in (1) und (4) genannten Maßnahmen zur Förderung von Studierenden mit Über- bzw. Unterforderungsgefühl sind sozial-inklusive bzw. interkulturelle Maßnahmen gesetzt worden. Diese betreffen die Bereitstellung von Hardware / Arbeitsplätzen während LV-Teil 2 und 3. In LV-Teil 1 werden zudem die Herkunftsländer der Studierenden mittels ARS „Mentimeter“ auf einer Landkarte vermarkt. Dies bildet den Anstoß zur wertschätzenden Diskussion von regional abweichenden Herausforderungen in Abhängigkeit der regional abweichenden typischen Untergrundverhältnissen, z.B. Granit (Skandinavien), limnische Sedimente (Österreich), Muschelsande (mittlerer Osten). Die angestoßene Diskussion gestaltet sich insbesondere dann interessant, wenn internationale Studierende mit praktischen Erfahrungen teilnehmen. In diesen Fällen wird auf diese Weise der interkulturelle Dialog innerhalb der Kohorte gefördert, was dabei hilft, internationale Studierende für die aktive Teilnahme zu gewinnen und eine vertrauensvolle Lernumgebung aufzubauen.

Vertrauensvolle Lernumgebung:

Die Schaffung einer emotional positiv geprägten vertrauensvollen Lernumgebung ist ein wesentlicher Enabler für ein positives Lernerlebnis. Auszugsweise seien folgende Maßnahmen erwähnt: (a) Einbindung studentischer Mitarbeiter*innen als Peers, welche als Ansprechperson für offene Fragen fungieren; (b) organisatorische und lernzielbezogene Transparenz durch Planung pandemieabhängiger Abhaltungsszenarien bzw. Entwicklung eines Learning Goal Widgets; (c) partizipative Lernzielgestaltung; (d) individuelles Coaching im Rahmen von Fortschrittmeetings; (e) Humor, Begeisterung und Authentizität.

Begabtenförderung:

Werden Neugierde und Interesse nicht gefördert, treten bei unterforderten Studierenden oftmals Motivationsproblemen auf; im Extremfall kann dies dazu führen, dass diese Gruppe den Anschluss verliert. Zusätzlich zu den in (1) beschriebenen Punkten sind folgende Maßnahmen gesetzt worden: (a) Einbettung interessanter Links in h5p-Videos; (b) Anreiz einer Anstellung als Studienassistent*in zur Mitarbeit in Forschungsvorhaben oder als LV-Peer im Folgejahrgang; (c) Bereitstellung zusätzlicher Übungsaufgaben mit dem Ziel der Aneignung einer Programmiersprache.

Nutzen und Mehrwert

Strategische Feedback-Nutzung

Die entwickelte Educational Balanced Scorecard erlaubt es, Feedback effizient (operativ) und effektiv (strategisch) zu nutzen – und die begrenzten Ressourcen zur Erhöhung des Lernerlebnisses langfristig bestmöglich einzusetzen. Damit können Verbesserungsmaßnahmen priorisiert, evaluiert und adaptiert werden, sowie unter Berücksichtigung eines mehrjährigen Planungshorizonts gesteuert werden.

Kulturelle Vielfalt und soziale Inklusion

Durch das Setzen von Maßnahmen zur Förderung der kulturellen Vielfalt bzw. zum Abbau von (sozialen) Lernbarrieren (z.B. partizipative Lernzielgestaltung, niederschwellige Bereitstellung von Infrastruktur, wertschätzende Berücksichtigung der Herkunftsländer in Lerninkrementen, individuelles Coaching) ist ein Paradigmenwechsel hin zu einer Atmosphäre geschaffen worden, in der Studierende ganzheitlich wachsen können.

Fachkräftemangel

Umweltkatastrophen wie die Erdbebenbebenereignisse in der Türkei und Syrien haben die Bedeutung der im Rahmen der LV vermittelten Kompetenzen aufgezeigt. Die durch die Erhöhung der LV-Qualität (u.a. Kooperation mit Industriepartner*innen bei der Definition der Projektaufgabe) stabilisierten Studierendenzahlen wirken dem Fachkräftemangel entgegen und bereiten Studierende auf das spätere Arbeitsumfeld vor.

Zeitersparnis und Lernerleichterung

Durch die Flexibilisierung der Lehr-Lernformate (z.B. h5p-Elemente zur selbstständigen asynchronen Überprüfung erworbener Kompetenzen, virtuelle Q&A-Sessions, Lernteam-Coaching, Learning Goal Widget) wird eine ausgewogenere Arbeitsbelastung / Work-Study-Balance für Berufstätige ohne Qualitätsverlust erreicht. Zudem können Lernbarrieren frühzeitig abgebaut werden, womit in Summe der Kommunikationsaufwand sinkt.

Wissenschaftskommunikation

In der Special Lecture „Research“ können sich Studierende auf Augenhöhe mit Forschenden austauschen. Dies fördert die Aufgeschlossenheit gegenüber der Wissenschaft und macht wissenschaftliche Leistungen sichbar.

Nachhaltigkeit

Joint Young Members Austria

Studierendenseitig ist der Ruf nach einer Ausdehnung des Lehrprojektes (d.h. über den Zeitraum eines Semesters hinaus) laut geworden. Dies hat 2022 zur Gründung der „Joint Young Members Austria“ (s. 3 – Links) geführt, einem universitätsübergreifenden Zusammenschluss junger Geotechniker*innen. Im April 2023 findet in diesem Kontext das 2. J-YMA Symposium an der TU Graz statt.

Begabtenförderungsansatz „Peer Teaching“

Die Integration begabter Studierender als Peers in die LV hat dazu geführt, dass 2022 und 2023 jeweils ein Studierender als Prae Doc gewonnen werden konnte.

Organisatorische Agilität

Die reflexive Verwendung digitaler Lehr-Lernformen (z.B. Q&A-Sessions auf Basis der h5p-Ergebnisse) ermöglicht künftig eine agile Gestaltung der LV, unabhängig von unbeherrschbaren äußeren Einflüssen (z.B. Pandemie).

Kontinuierlicher Verbesserungsprozess mit strategischer Ausrichtung

Es liegen eine Reihe von feedbackbasierten Optimierungshebeln vor, welche mittels Educational Balanced Scorecard laufend erfasst, priorisiert und implementiert werden (z.B. Gamification des 2-stage Exams mittels Gather Town zum Prüfungsangst-Abbau).

Open Educational Ressources und LV-übergreifende Zusammenarbeit

Erstellte Animationen und Webinare sind frei und zeitunabhängig (d.h. auch zum Auffrischen) online abrufbar. Für Interessierte besteht unmittelbar nach LV-Abschluss ein Weiterbildungsangebot, welches interdisziplinär mit benachbarten Instituten angeboten wird.

Dissemination/Transfer

Lehr-Lernkonzept

Das entwickelte L-L-K ist auf andere LV mit Übungsanteil übertragbar – insbesondere auf LV mit hohen Studierendenzahlen. Es ist jedoch kein „Universalkochrezept“– vielmehr sollte der zugrundeliegende kontinuierliche Verbesserungsprozess unter Berücksichtigung von unterschiedlichen Feedback-Kanälen sowie die Gestaltung einer E-BSC am Beginn einer studienzentrierten LV-Gestaltung stehen.

Kontinuierlicher Verbesserungsprozess mit strategischer Verankerung

Das L-L-K stellt das Ergebnis eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses dar. Da die Ressourcen zur Verarbeitung von Feedback begrenzt sind bzw. die erforderlichen Maßnahmen oftmals einer längerer Vorlaufzeit benötigen, ist die Entwicklung einer E-BSC nach dem Vorbild dieser LV zweckdienlich. Dieses strategische Instrument ist unabhängig von Typ / curricularer Stellung einsetzbar und erlaubt eine nachhaltige Steigerung der LV-Qualität.

Inklusion und interkultureller Dialog

Die inklusiven Maßnahmen (z.B. Vermeidung von Rot-Grün-Kombinationen, Bereitstellung von Soft- und Hardware, transparente Organisation, partizipative Lernzielgestaltung) lassen sich auf andere LVs übertragen. Gleiches gilt für die kreativeren Lerninkremente, welche die kulturelle Vielfalt innerhalb der Kohorte sichtbar machen und soziale Kompetenzen fördern.

Anreizsystem und Begabtenförderung

Anreizsystemen stellen einen Schlüsselfaktor dar, um Studierende zur Mitarbeit zu bewegen. Die entwickelten Instrumente (z.B. semesterübergreifendes Quiz mit Preisverleihung) sind direkt auf andere LVs übertragbar. Dasselbe gilt für das Begabtenförderungskonzept.

Wissenschaftskommunikation & Wissenstransfer

Eine Special Lecture „Research“ lässt sich mit Universitätsassistent*innen mit geringem Aufwand umsetzen. Es ist darauf zu achten, dass die Inhalte entsprechend den Kompetenzen der Studierenden aufzubereiten sind. Best Practice Erfahrungen sind bei „Verliebt in die Lehre“ (s. 3 – Links) einem größeren Publikum vermittelt worden.

Institutionelle Unterstützung

Das gegenständliche Projekt ist an der TU Graz umgesetzt worden, welche die Umsetzung folgendermaßen gefördert hat:

(1) Bereitstellung eines niederschwelligen Weiterbildungsangebots, im Rahmen der Teaching-Academy, Lehrstammtischen, LLT-Frühstücken, E-Learning Blog bzw. TELucation-Mappe.

(2) Anreizsysteme zur ganzheitlichen Weiterentwicklung und kontinuierlichen Erhöhung der LV-Qualität, z.B. Lehrpreis der TU Graz.

 

Abgesehen davon ist dieses Projekt intrinsisch motiviert gewesen bzw. ohne nennenswerte monetäre Mehraufwendungen ausgekommen. Es bestehen allerdings großzügige universitätsinterne Fördertöpfe zur Umsetzung von Verbesserungsmaßnahmen zur Erhöhung der LV-Qualität, welche möglicherweise in Zukunft unter Berücksichtigung der Feedback-Rückmeldungen erschlossen werden sollten.

Positionierung des Lehrangebots

Die Lehrveranstaltung (LV) "Computational Geotechnics" stellt per definitionem eine Vorlesung mit integrierter Übung im Umfang von 4,5 Semesterwochenstunden bzw. 6 ECTS Credits dar. In Bezug auf die curriculare Verankerung ist sie als Wahllehrveranstaltung in das englischsprachige Masterstudium "Geotechnical and Hydraulic Engineering" der TU Graz eingebettet. Aufgrund des inhaltlichen Alleinstellungsmerkmals in der österreichischen Bildungslandschaft sowie der hohen Praxisrelevanz für ingenieurpraktische Aufgabenstellungen wird diese LV zudem in ähnlicher Form an der Universität Innsbruck (SE "Numerische Modellierung in der Geotechnik") bzw. der TU Wien (VO "Numerical Geotechnics") abgehalten.

Im unmittelbaren Anschluss an die LV wird interessierten Studierenden ein spezifisches Weiterbildungsportfolio in Form weiterführender LVs angeboten, welches auf Grundlage der vermittelten Kompetenzen eine facheinschlägige Vertiefung - z.B. im Bereich des Erdbebeningenieurwesens - ermöglicht.

Das Beispiel wurde für den Ars Docendi Staatspreis für exzellente Lehre 2023 nominiert.
Ars Docendi
Nominiert 2023
Kategorie: Qualitätsverbesserung von Lehre und Studierbarkeit
Ansprechperson
Dipl.-Ing. Dipl.-Ing. Andreas-Nizar Granitzer
Technische Universität Graz | Institut für Bodenmechanik, Grundbau und Numerische Geotechnik | Arbeitsgruppe Numerische Geotechnik
+43 664 5442075
Nominierte Person(en)
Assoc.Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Franz Tschuchnigg
Technische Universität Graz | Institut für Bodenmechanik, Grundbau und Numerische Geotechnik | Arbeitsgruppe Numerische Geotechnik
Dipl.-Ing. Dipl.-Ing. Andreas-Nizar Granitzer
Technische Universität Graz | Institut für Bodenmechanik, Grundbau und Numerische Geotechnik | Arbeitsgruppe Numerische Geotechnik
Themenfelder
  • Diversität und Soziales
  • Flexibel Studieren
  • Forschung/EEK geleitete Lehre
  • Infrastruktur/Lehrmaterialien
  • Klimaschutz
  • Kooperationen in der Lehre
  • Lehr- und Lernkonzepte
  • Organisatorische Studierendenunterstützung
  • Schnittstelle zum Arbeitsmarkt
  • Rund ums Evaluieren der Lehre
  • Digitalisierung
Fachbereiche
  • Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik/Ingenieurwissenschaften