UMIT TIROL – Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften und -technologie
Eduard Wallnöfer-Zentrum 1, 6060 Hall in Tirol
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Zertifizierung und rechtliche Grundlagen von Medizinsoftware

Ziele/Motive/Ausgangslage/Problemstellung

Die Inhalte der Lehrveranstaltung zielen darauf ab, den Teilnehmer*innen einen fundierten Einblick in regulatorische Aspekte medizinischer Softwaresysteme zu vermitteln. Damit adressiert das Modul hochaktuelle Problemstellungen der Forschung und Entwicklung innovative IT-Lösungen im Gesundheitssektor an das Krankenbett zu bringen.

Insbesondere bei Softwaresystemen, aber auch bei anderen Produkten im klinischen Wirkbereich ist das oberste Gebot Anwender inkl. Patient*innen zu schützen, da mögliche Auswirkungen von Missbrauch oder Fehlfunktion fatale Folgen haben können. Die vermehrte Entwicklung und Verbreitung von Gesundheits-Apps sowie Skandale im Medizinproduktemarkt führten zu einer Verschärfung und Harmonisierung der weltweiten Entwicklungsanforderungen. Im europäischen Raum wurde 2017 die EU-Verordnung „Medical Device Regulation“ (MDR) verabschiedet und ersetzt nun Schritt für Schritt gemeinsamen mit der Verordnung der in-vitro Diagnostika (IVDR) die bis dahin geltende Medical Device Directive (MDD). Damit einhergehend wurde der rechtliche Rahmen zur Entwicklung und Vermarktung von medizinischen Softwaresystemen nicht nur gespannt, sondern auch zu einer enormen Herausforderung für Entwicklung und Forschung.

Diesen rechtlichen Rahmen zu verstehen und auf eigene (IT-)Systeme anwenden zu können ist eine zukunftsweisende Anforderung an Arbeitskräfte der Gesundheitsbranche, weshalb die Teilnehmer*innen der Lehrveranstaltung von den Inhalten sowie von Erfahrungsberichten mit den neuen Regularien profitieren können.

Die Modulteilnehmer*innen werden dazu befähigt Medizinprodukte zu identifizieren und zu klassifizieren, um bei Beschaffungsprozessen und der Entwicklung von Hard- sowie Softwareprodukten für die damit verbundenen rechtlichen Grundlagen sensibilisiert zu sein. Weiterführend kennen die Teilnehmer*innen am Ende des Moduls die grundlegenden Schritte und Normen des Medizinproduktzertifizierungsprozesses aus Sicht von Herstellern und können diese für konkrete Medizinprodukte inkl. Software als Medizinprodukt adaptieren. Die Teilnehmer*innen kennen zum Modulende die Anforderungen an Betreiber, bspw. Krankenhäuser, für den Betrieb von Medizinprodukten.

Kurzzusammenfassung des Projekts

Die Lehrveranstaltung spannt jede Woche Kernthemen der Medizinproduktentwicklung, Zulassung sowie Marktverfolgung auf. Die Lehrveranstaltung findet ausschließlich in einer virtuellen Umgebung mit Hilfe eines Lernmanagement Systems statt. Die Teilnehmer*innen erhalten impulsgebende Lehrvideos, um wöchentlich einen Einstieg in die neuen Themenfelder zu erhalten. Aufbauend auf den Lehrvideos, werden den Teilnehmer*innen Aufgaben, sogenannte Etivities gestellt, welche sich allein und als Gruppe im Austausch bearbeiten. Die Aufgaben sind mit weiterführenden Materialien ummantelt, um ein möglichst breites Spektrum von Lerntypen abzudecken. Eine Besonderheit ist der erwähnte Austausch zwischen den Teilnehmer*innen inkl. Des Dozenten. Der Austausch wird per Etivity initiiert und findet in einem gemeinsamen Forum statt. Ergebnisse werden diskutiert, um Erfahrungen und Blickwinkel der Teilnehmer*innen in die Lösungsfindung einzubeziehen und so ein ganzheitliches Bild zur gestellten Aufgabe zu erhalten. Die thematischen Schwerpunkte der Veranstaltung sind gemäß des „constructive alignment“ Prinzips darauf ausgelegt eine abschließende modulbegleitende Komplexaufgabe zu bewältigen. Hierzu ist es notwendig das erlernte Wissen anzuwenden und für ein Medizinprodukt abzuwandeln. Jede Kurswoche schließt mit einem Zusammenfassungsvideo um wichtige Inhalte aus Diskussionen und Ergebnissen für die Gruppe zugänglich zu machen sowie besondere Leistungen innerhalb der Gruppe zu würdigen.

Kurzzusammenfassung des Projekts in englischer Sprache

Each week, the course covers core topics in medical device development, regulatory affairs, and market tracking. The course takes place exclusively in a virtual environment with the help of a learning management system. The participants receive impulse-giving teaching videos in order to get a weekly introduction to the new topics. Building on the instructional videos, the participants are given tasks, so-called activities, which they work on alone and as a group in exchange. The tasks are surrounded by further materials in order to cover as broad a spectrum of learning types as possible. A special feature is the aforementioned exchange between the participants, including the instructor. The exchange is initiated by Etivity and takes place in a common forum. Results are discussed in order to include the experiences and perspectives of the participants in finding solutions and thus to obtain a holistic picture of the task at hand. In accordance with the "constructive alignment" principle, the thematic focal points of the event are designed to master a final complex task that accompanies the module. For this purpose, it is necessary to apply the acquired knowledge and to modify it for a medical device. Each course week closes with a summary video to highlight important content from discussions and results for the group as well as to recognize special achievements within the group.

Nähere Beschreibung des Projekts

Didaktisch ist die Verananstaltung nach dem Konzept von Gilly Sallmon aufgebaut und verwendet das didaktische Werkzeug „Etvity“, um Lehrinhalte zu vermitteln. Etivities sind Aufgabentypen, welche gekennzeichnet sind durch den Aufbau: Einführungstext, um den Kontext der Aufgabe zu eräutern, Ziel, um das Lernziel für die Teilnehmer*innen zu benennen, Materialien (Folien, Links, Video, Podcasts), welche für die Bearbeitung der Aufgabe studiert werden müssen, Aufgabe sowie zuletzt der Dialog, um die Teilnehmer*innen in einen gemeinsamen fundierten Diskurs zu bringen. Mit den Etivities des Moduls werden didaktisch die Lernzielstufen nach der Taxonomie von Bloom durchlaufen von Wissenserwerb bis hin zu Anwendung und kritischer Auseinandersetzung mit neuen Inhalten in der Diskussion. Die insgesamt 6 Modulwochen sind thematisch abgegrenzt und bauen aufeinander auf. Roter Faden durch das Modul ist die Abschlussprüfung, welche die Herausforderung adressiert die Marktzulassungsschritte eines selbst gewählten konkreten Medizinproduktes zu erarbeiten. Dies verlangt die Inhalte der Modulwochen in die Problemlösung einzubeziehen (problemlösungsorienter Ansatz). Die Auswahl des Medizinproduktes erfolgt in Woche 1 unter Abstimmung und mit Feedback durch den Dozenten, um die Komplexität der Aufgabe einzugrenzen. Von Woche 1 bis Woche 5 werden folgende thematische Schwerpunkte durchlaufen: 1.) Normen bei Medizinprodukten, 2.) Schreiben einer Zweckbestimmung und Klassierung von Medizinprodukten, 3.) der Marktzulassungsprozess aus Sicht der Hersteller inkl. Medical Device Regulation, 4.) Anforderungen aus Betreibersicht, um Medizinprodukte in der Routine einzusetzen inkl. Sensibilisierung für das Risikomanagement und Qualitätssicherung, 5.) Besonderheiten bei Software als Medizinprodukt, so etwa die DIN EN 62304 zum Softwarelebenszyklus. Die Aufgaben sind so angelegt, dass die Teilnehmer*innen gemeinsam thematisch wachsen können und an konkreten Medizinprodukten etwa Apps aus Appstores lernen sowie die Kursinhalte anwenden können. Damit verfolgt die gesamte Lehrveranstaltung das Konzept des constructive alignments, in dem die jeweiligen Etivities zur Erfüllung der Prüfungsleistung in Woche 6 aufbauend einbezogen werden. Die Plattform auf dem der Kurs stattfindet ist Moodle. Die Etivities werden auf der Lernmanagementplattform bearbeitet und die Ergebnisse in Foren präsentiert. Gleichwohl findet die gesamte Diskussion der Teilnehmer*innen in diesen Foren statt. Ich stelle zu beginn jeder Woche ein Einführungsvideo bereit, um in den neuen thematischen Schwerpunkt einzuführen und an erworbenes Wissen anzuknüpfen. Während der Kurswoche monitore ich die Aufgabenbearbeitungen und Diskussionen, um wenn notwendig einzugreifen und Impulse im Sinne der Lernziele zu setzen. Die Kurswoche beende ich über ein Zusammenfassungsvideo. Während ich das Forum für individuelles Feedback nutze, wird das Zusammenfassungsvideo genutzt, um besonders gute Ausarbeitungen zu würdigen und somit den Teilnehmer*innen ein Gefühl für den Erwartungshorizont Ihrer Leistung zu geben.

Die Prüfungsleistung besteht aus drei Teilen, welche didaktisch dem Prinzip des constructive alignment folgen, um Etivities und Lernziele direkt mit den Etappen der Prüfungsleistung zu verbinden. Erster Teil der Prüfungsleistung ist die Bearbeitung der Etivities und die damit verbundene aktive Mitarbeit sowie fundierte gemeinsame Diskussion. Zweiter Teil der Prüfungsleistung ist die Erstellung eines Kapitels für ein Nachschlagewerk in der Woche 3, in dem die Teilnehmer*innen individuell einen wesentlichen Teil der Medical Device Regulation inhaltlich aufbereiten. Die Prüfung der Woche 6 als Abschlussmeilenstein des Lernprozesses ist eine 4-seitige wissenschaftliche Ausarbeitung zum Marktzulassungsprozess des gewählten Medizinproduktes. Für die Lernzielkontrolle wurden zusätzlich in den Wochen 1-4 Lernerfolgstests implementiert, um die Lernkurve der Teilnehmer*innen neben dem Monitoring der Forendiskussionen verfolgen zu können. Die Evaluation der aktiven Teilnahme erfolgt mithilfe eines Bewertungsrasters, um die Kontinuität, fachliche Qualität, Reaktion auf Feedback und Fragen und Beitrag zur Lerngemeinschaft zu evaluieren. Wie in 1.2 beschrieben wird den Teilnehmer*innen über unterschiedliche Kanäle Feedback gegeben, um den Lernprozess zu unterstützen.

Zu den Stärken der Lehrveranstaltung gehört die zielorientierte Verquickung zwischen Theorie und Praxis anhand des gewählten konkreten Medizinproduktes der Teilnehmer*innen. Die Teilnehmer*innen wählen das Medizinprodukt aus Ihrem eigenen Interessensgebiet aus und lernen anhand der Lehrinhalte, wie dieses Medizinprodukt unter aktuellen Regularien in Verkehr gebracht werden kann. Die Grenze der Lehrveranstaltung ist die Größe der Teilnehmer*innengruppe. Die Betreuung ist intensiv und tiefgreifend, weshalb Gruppengrößen über 30 nur schwer durch eine Lehrperson zu bewältigen sind, ohne Defizite bei der Feedbackgabe in Kauf nehmen zu müssen.

Nutzen und Mehrwert

Die Lehrveranstaltung liefert einen sehr guten Rahmen für die Lernenden, da Theorie und Praxis miteinander verknüpft werden kann. Praktische Beispiele, der offene Austausch nicht nur zum Dozenten, sondern zu allen anderen Teilnehmer*innen liefern eine angenehme Arbeitsatmosphäre, in dem die einzelnen gefördert werden können. Der Erfahrungsaustausch liefert neben den Hardskills, welche für das Individuum per Lernziel festgelegt sind auch den Raum den Softskill des interdisziplinären Kommunizierens und Perspektivenwechsels vorzunehmen. Teilnehmende fügen sich in ein Gruppengefüge ein und lernen voneinander sowie miteinander, sodass selbst komplexe Aufgaben gelöst werden können. Für Lehrende bietet der Austausch ein Barometer, um die Teilnehmer*innen auch in ihren eigenen Zielen zu unterstützen sowie mögliches Denken über den Tellerrand hinaus zu fördern.

Das wöchentliche Format bietet ein Korsett, welches individuelle Bearbeitungsfreiräume für Teilnehmer*innen erlaubt und gleichzeitig das kontinuierliche Lernen und vertiefen ermöglicht.

Für Lehrende ist der Austausch natürlich ebenso spannend. So lerne ich auch nach mehrmaliger Durchführung immer wieder Neues, auch in Bearbeitungsstrategien der Teilnehmer*innen und bin immer wieder überrascht wie kreativ Ausarbeitungen gelingen können. Es ist spürbar, das die Teilnehmer*innen in diesem Format mehr als nur das nötigste für eine Note tun und der Spaß am Lernen und Forschen etwas ist was alle mit sich nehmen.

Nachhaltigkeit

Die Lehrveranstaltung soll auch in Zukunft weiter als Modul im Health Information Management Master Studiengang verankert bleiben. Andere Module sind ebenfalls auf dem didaktischen Konzept von Gilly Salmon aufgebaut, welches Aufgaben „Etivities“ als didaktischen Mittel einführt. Die Ausgestaltung dieser Etivities sind je nach Lehrveranstaltung unterschiedlich ausgerichtet, um die jeweiligen Lehrinhalte zu vermitteln. Die Weiterentwicklung des Moduls erfolgt Semesterweise, um die Inhalte up to date zu halten. Weiterhin werden die Zusammenfassungsvideos unabhängig von den „statischen“ Lehrinhalten mit jeder Kohorte neu erarbeitet, sodass das wöchentliche Feedback tatsächlich auf jede Kohorte zurechtgeschnitten ist.

Dissemination/Transfer

Grundsätzlich ist das Lehrkonzept auf viele andere Lehrverantaltungen anwendbar. Innerhalb des Health Information Management Masters ist dies bereits erfolgt. Im Kontext meiner Lehre in Göttingen, habe ich eine eigene Adaptation des didaktischen Konzeptes entwickelt, welches in einer eLearning Lehrveranstaltung zu klinischen Entscheidungsunterstützungssystemen eingesetzt wird. Siehe hierzu: Rühlicke. S., Klembt C. and Krefting D., "Implementation and Evaluation of a Clinical Decision Support eLearning Course," 2022 IEEE German Education Conference (GeCon), Berlin, Germany, 2022, pp. 1-6, doi: 10.1109/GeCon55699.2022.9942741.

Die Adaptation des grundlegenden Vorgehens ist generisch gehalten, sodass eine Adaptation in andere Disziplinen durchaus denkbar ist.

Institutionelle Unterstützung

Die Lehrveranstaltung ist in einen Masterstudiengang eingebettet und genießt daher volle Unterstützung die Weiterführung seitens der Universität. Der gemeinsame Austausch im Masterstudiengang zwischen den Dozent*innen wird gefördert, sodass die Qualitätssicherung der Module gelebt werden kann.

Positionierung des Lehrangebots

Die Lehrveranstaltung ist eingebettet in einen Masterstudiengang im Kontext der medizinischen Informatik. Die 8 ECTS umfangreiche Veranstaltung wird zum 4. Semester gelehrt. Zu diesem Zeitpunkt haben die Teilnehmer*innen bereits wesentliche Aspekte der medizinischen Informatik erlernt. Die Lehrveranstaltung soll die Brücke bauen von Ende des Studiums hinein in Routineversorgung/Industrieentwicklung/Forschung.

Das Beispiel wurde für den Ars Docendi Staatspreis für exzellente Lehre 2023 nominiert.
Ars Docendi
2023
Kategorie: Lernergebnisorientierte Lehr- und Prüfungskultur
Ansprechperson
Univ.-Prof. Dr. Elske Ammenwerth
Studiengang Health Information Management
+43 50-8648-3809
Nominierte Person(en)
Stefan Rühlicke (geb. Vogel)
Biomedizinische Informatik und Mechatronik
Themenfelder
  • Digitalisierung
  • Flexibel Studieren
  • Lehr- und Lernkonzepte
  • Schnittstelle zum Arbeitsmarkt
  • Rund ums Prüfen
Fachbereiche
  • Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik/Ingenieurwissenschaften
  • Medizin und Gesundheitswissenschaften