Paris-Lodron-Universität Salzburg
Kapitelgasse 4-6, 5020 Salzburg
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Seminar zum Modul Sozialpsychologie (Sexismus, Feminismus, Psychologie)

Ziele/Motive/Ausgangslage/Problemstellung

Ein tieferes psychologisches Verständnis der Themenfelder Sexismus, Feminismus, Gleichberechtigung und Stereotype ist zum einen für die spätere psychologische Praxis von großer Bedeutung und zum anderen eine Voraussetzung, um Stereotype und Stigmatisierungen in der Forschung erkennen und reflektieren zu können.

Im Seminar wurde daher ein besonderer Fokus darauf gelegt Studierenden eine vertiefte Reflexion der jeweiligen Inhalte und Theorien zu ermöglichen, um das im Studium erworbene sozialpsychologische Basiswissen zu vertiefen und als persönliche und professionelle Handlungskompetenz zu verankern. Diese Ziele wurde durch zwei Prüfungsleistungen erfasst:

Die erste Prüfungsleistung erforderte von Studierenden die Reflexion Ihres universitären Alltags und den Transfer der besprochenen Theorien auf diese Erlebnisse. Auf dieser Basis erstellten die Gruppen digitale ‚Produkte‘ (z.B. Blogpost, Podcast, Infograph) in denen sozialpsych. Mechanismen aufbereitet werden sollten und die Auswirkungen aus psychol. Sicht beleuchtet wurden. Kleingruppen wählten ein spezifisches Themenfeld mit einer für Sie relevanten Fragestellung aus, z.B. „Warum gibt es die Glas-Decke im akademischen Feld noch immer?“. Zu Ihrem gewählten Thema suchten die Gruppen selbstständig eine*n Fachexpert*in (z.B. Elternberatung, Beratungsstelle für Frauen*/Männer*, GendUp etc.) und bearbeiteten Ihre Fragestellung mit Hilfe eines informellen Austauschs mit dieser Fachperson, sowie durch selbstständige Literaturrecherche. Das Ergebnis dieser Arbeit war das digitale „Produkt“, das abschließend in einem gemeinsamen digitalen „Show & Tell“ -Event (siehe Links) der Seminargruppe und den eingeladenen Expert*innen präsentiert wurde.

Durch die Verbindung von Theorie und Praxis konnte besonders im digitalen Event ein Gefühl von professioneller Gemeinschaft und Scientific Community entstehen.

Als zweite Prüfungsleistung wurde am Ende des Semesters statt einer schriftlichen Seminararbeit eine bewertete mündliche Diskussion in Kleingruppen durchgeführt. Hierbei waren die Studierenden aufgefordert auf einen Diskussionsgegenstand (z.B. Zeitungsausschnitt, Musikstück, Video, Podcast, etc.) zu reagieren und diesen theoriegeleitet mit der Kleingruppe zu diskutieren. Bewertet wurden inhaltlich passende, theoriegeleitete Analysen, ein verständlicher Transfer, eine wissenschaftliche angemessene Argumentation von Standpunkten und eine flexible Reaktion auf Wortmeldungen aus der Kleingruppe. Dieses Beurteilungsformat ermöglichte es Studierenden ein fluides, flexibles Transferwissen zu zeigen, welches besonders in psychologischen Beratungsgesprächen oder auf wissenschaftlichen Kongressen von Bedeutung ist und in einer Seminararbeit nicht in dieser Form beurteilt werden kann. Die Verbindung der Erfahrungen aus beiden Prüfungsleistungen verdeutlichte für Studierende die Wichtigkeit, auf Fragen oder Gegenargumente flexibel reagieren zu können und Sichtweisen entsprechend akad. Standards argumentieren zu können.

Kurzzusammenfassung des Projekts

Sozialpsychologisches Basiswissen wird im Seminar gefestigt und mit dem Themenfeld Sexismus, Feminismus, Gleichberechtigung und Stereotype verknüpft, um Fragen wie zum Beispiel „Welche psychologischen Phänomene beeinflussen sexistische Wahrnehmungen und Bewertungen“ zu beleuchten.

Der Inhalt des Seminars orientiert sich an zwei führenden Theorien: a) aus der Sozialpsychologie dem Loop-to-Loop Modell sozialer Interaktionen nach Jonas et al. (2016) und b) aus der Genderpsychologischen Forschung dem Bio-Psycho-Soziale Modell der Gender-Psychologie nach Eagly et al. (2004). Diese zwei Theorien werden im Laufe des Semesters mit Alltagserfahrungen der Studierenden, Forschung, sozialpsychologischen Phänomenen und Betrachtungen aus verwandten Disziplinen (z.B. Politik, Philosophie) ergänzt. Besonders der Austausch zwischen den Studierenden, eine lebendige Diskussion und der Transfer von Alltagsbeobachtungen in den theoretischen Rahmen lagen dabei im Fokus. Ziel war es, die Komplexität des Themenfeldes zusammen mit den Studierenden zu navigieren und dem Bedürfnis nach einer „schnellen, einfachen Antwort“ auf Sexismus nicht nachzugeben, sondern ein tiefes Verständnis der psychologischen Mechanismen zu fördern.

Kurzzusammenfassung des Projekts in englischer Sprache

Basic knowledge of social psychology is reinforced in the seminar and linked to the topics of sexism, feminism, equality and stereotypes in order to shed light on questions such as "Which psychological phenomena influence sexist perceptions and evaluations?". A deeper psychological understanding of these topics is, on the one hand, of great importance for later psychological practice and, on the other hand, a necessary prerequisite for the ability to recognize and reflect on stereotypes and stigmatizations in the course of research.

The content of the seminar is based on two leading theories: a) from social psychology the loop-to-loop model of social interactions according to Jonas et al. (2016) and b) in gender psychology the bio-psycho-social model of gender psychology according to Eagly et al. (2004). These two theories will be integrated with students' everyday experiences, research, social psychological phenomena, and reflections from related disciplines (e.g., politics, philosophy) over the course of the semester. Particular emphasis is placed on facilitating exchange among students, stimulating lively discussion, and transferring everyday observations into theoretical frameworks. The goal is to navigate the complexity of the subject matter alongside the students and not to give in to the need for a "quick, easy answer" to sexism, but to foster a deep understanding of the psychological mechanisms involved.

Nähere Beschreibung des Projekts

Im Seminar Feminismus|Sexismus|Psychologie wird ein besonderer Fokus darauf gelegt Studierenden eine vertiefte Reflexion der besprochenen Inhalte und Theorien zu ermöglichen, um das im Studienverlauf bereits erworbene sozialpsychologische Basiswissen zu vertiefen und als persönliche und professionelle Handlungskompetenz zu verankern. Verschiedene Formen der Reflexion und Wissensverankerung wurden durch regelmäßig-wiederkehrende sowie themenbasierte Reflexionsübungen im Einzel, in Kleingruppen sowie im Plenum umgesetzt: z.B. konnten Studierende freiwillige ein individuelles digitales Reflexionstagebuch in Blackboard (LMS der Univ. Salzburg) führen und erhielten dort von der LV-Leitung nach ca. 6 Einträgen ein persönliches, schriftliches Feedback.

Besonders die gemeinsame Erstellung eines semesterübergreifenden digitalen Lern-Portfolios auf einem online Whiteboard (siehe Links) trug zur Einbindung der Stud. bei und förderte die aktive Auseinandersetzung mit den Inhalten, Interaktive Visualisierung und Interaktion auf dem Whiteboard förderte die aktive Teilnahme und Sichtbarkeit der stud. Beiträge. Die flexiblen Breakout-Sessions in den Seminareinheiten und das digitale Reflexionstagebuch trugen zusätzlich dazu bei, den Studierende im digitalen Kontext ein Gefühl von Teilhabe und Gemeinschaft zu ermöglichen. Die Erstellung der digitalen Produkte zusammen mit einer selbst gewählten Kleingruppe und mit einem selbst gewählten Themenschwerpunkt ermöglichte es den Stud. ihre gemeinsamen Interessen auf universitärem Niveau zu diskutieren und mit Fachwissen zu unterfüttern. Dies motivierte Stud. sichtbar zu einer aktiven und engagierten Bearbeitung des Auftrags.

Um einen regelmäßigen Kontakt zu den Studierenden und eine regelmäßige Auseinandersetzung mit den Inhalten zu ermöglichen, wurde die Abhaltung der LV im digitalen Distancelearning auf wöchentliche Termine (ursprünglich Blocktermine geplant) umgestellt. Zusätzliche würde in den LV-Einheiten ein größerer Fokus auf Diskussionen und angeleitete Übungen gelegt, um die Interaktion und den Austausch zwischen den Studierenden so oft wie möglich zu fördern. Dies diente dem Ziel, das erworbene Wissen in Alltagsbeispielen und Erfahrungen wiedererkennen zu können und somit ein fluides und transferierbares Wissens aufzubauen. Zusätzliche sollte die akademische Selbstkompetenz im Kontakt mit Kolleg*innen in verschiedensten Situationen gefördert werden. Dieses Ziel wurde einerseits durch den regelmäßigen Austausch in zufällig gemischten Breakout-Sessions innerhalb der LV erreicht. Diese Art der Gruppenbildung war im digitalen Setting besonders wirksam, um einen Kontakt zwischen allen Teilnehmenden des Seminars zu ermöglichen und wurde auch als Erfolg von den Studierenden zurückgemeldet.

 

Theoriewissen wurde mithilfe von begleitenden Videos, Lesematerial, Podcast (Flipped-Classroom) und kleineren Vorträge/Vertiefungen in der LV erreicht. Studierenden wurde zu Beginn des Semesters eine zweiteilige Literaturliste vorgestellt, in der zum einen Fachliteratur enthalten war und zum anderen Populärliteratur, die die Themen des Seminars aufgriffen aber niederschwelliger beleuchteten (z.B. wurde Eagly et al. (2004). The Psychology of Gender. [Fachlit./Lehrbuch] ergänzt durch Criado-Perez (2019). Invisible Women. [Pop.-Literatur]). Die Nötige Literatur wurde via Blackboard zur Verfügung gestellt und teilweise sogar um Audio-Dateien der Literatur ergänzt, so dass eine multimodale Auseinandersetzung zu den verschiedenen Literaturen möglich war. Zusätzlich erhielten Studierende eigens erstellte Lehrvideos, Videolinks zu passenden Inhalten, Podcasts, Zeitungsausschnitte, Comics, Buch-& Filmempfehlungen, etc.

 

Die intendierten Lernergebnisse umfassten sowohl vertiefte Kenntnisse zu Theorien und Mechanismen der Sozialpsychologie und der Verbindung zu Gender-Psychologischen Theorien, als auch Fertigkeiten und Handlungskompetenzen im Umgang mit diesen Themen im professionellen psychologischen Handeln aufzubauen.

Kenntnisse werden mithilfe von Fachliteratur und Ausschnitten aus Populärmedien (Film, TV, Musik, Social Media, Podcasts...) vermittelt und thematisiert. Fertigkeiten und Handlungskompetenzen werden durch die Arbeit in Kleingruppen gefördert. Studierende lernten hier ihr angeeignetes Wissen mit Peers zu diskutieren, zu filtern und selbstständig Schlüsse daraus zu ziehen. Dies fördert den Transfer des Fachwissens in einen themenbezogenen Handlungskontext. Besonders für Psycholog*innen ist die Fähigkeit Fachwissen niederschwellig diskutieren und in eine verbale Argumentationskette einbauen zu können von großer Wichtigkeit. Diese professionelle Fertigkeit wurde mithilfe der Prüfungsleistungen eingeübt.

Nutzen und Mehrwert

Ein besonderer Mehrwert des Seminarkonzepts liegt in der Transferorientierung und somit einer Kompetenzorientierung für Studierende. Die Relevanz wissenschaftlichen Theorien für das tiefere Verständnis von Alltagserfahrungen und -handlungen spiegelt sich in den Prüfungsleistungen ebenfalls wider und bilden so ein stimmiges Gesamtkonzept.

Nachhaltigkeit

Das Seminarkonzept wird auch für die nächsten Jahre im Lehrbetrieb der Universität Salzburg geplant und dabei auch immer wieder an die tagesaktuellen Ereignisse und Erkenntnisse angepasst. Zusätzlich kann in Zukunft eine Adaption einzelner online Einheiten in einen Präsenzmodus sinnvoll sein, um reale Gruppendynamische Aspekte der Auseinandersetzung für das Transferlernen zu nutzen.

Eine Übertragung des Ablaufs und der verwendeten Lehr- und Prüfungsmethoden auf ähnliche Forschungsfelder ist durch den bereits sehr interdisziplinären Character der Inhalte gut vorstellbar und vermutlich mit geringem Aufwand verbunden. Dennoch sollte bei Lehrpersonen ein Grundverständnis von gruppendynamischen Prozessen in der Auseinandersetzung mit Stereotypisierungen, Diskriminierung und Diversity-Sensibilität in jedem Falls vorausgesetzt werden, um Diskussionen zielführend leiten und moderieren zu können, sowie spezifische Übungen fachspezifisch anpassen zu können.

Aufwand

Im Vergleich zur Planung und Durchführung anderer Seminare hat das vorliegende Seminar keine zusätzlichen finanziellen Kosten verursacht. Ein geringer zusätzlicher Zeitaufwand ist hauptsächlich folgende Aspekte geschuldet: Da die Kleingruppen innerhalb der Seminarzeit keine Referate im klassischen Stil halten sollten, sondern der Fokus auf Erfahrungslernen, Reflexion und Diskussion lag, war es nötig die jeweiligen Seminareinheiten mit einer jeweils passenden Übung zu planen und evtl. nötige (digitale) Materialien und Visualisierungen vorzubereiten. Diese Vorbereitungsarbeit war teilweise höher als „textbasierte“ wissenschaftliche Seminare.

Positionierung des Lehrangebots

Das Seminar ist ein Wahlpflichtfach für Bachelorstudierende der Psychologie ab dem 3. Semester und baut auf dem im 2. Semester bereits erworbenen Basiswissen zu sozialpsychologischen Prozessen und Phänomenen auf. Zusätzlich sind Studierende anderer Fachrichtungen eingeladen sich für das Seminar anzumelden, um eine interdisziplinäre Vernetzung der Studierenden zu fördern.

Links zu der/den Projektmitarbeiter/innen
Das Beispiel wurde für den Ars Docendi Staatspreis für exzellente Lehre 2022 nominiert.
Ars Docendi
2022
Kategorie: Lernergebnisorientierte Lehr- und Prüfungskultur
Ansprechperson
Vicky König, MSc.
Fachbereich Psychologie
+43 662 8044-5157
Nominierte Person(en)
Vicky König, MSc.
Fachbereich Psychologie
Themenfelder
  • Lehr- und Lernkonzepte
  • Erfahrungslernen
  • Digitalisierung
  • Rund ums Prüfen
  • Sonstiges
Fachbereiche
  • Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik/Ingenieurwissenschaften