Fachhochschule St. Pölten GmbH
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Design Thinking MEETS rheumatische Erkrankungen: Innovative pflegerische Perspektiven aus dem 3.Semester BGK Plus

Ziele/Motive/Ausgangslage/Problemstellung

Chronische Krankheiten sind dadurch charakterisiert, dass sie langfristig, umfassend und zumeist irreversibel sind (Austerer & Radinger, 2018, S. 18). Die Lebensqualität und das Wohlbefinden der Betroffenen sind durch körperliche, soziale und psychische Beeinträchtigungen, meist stark eingeschränkt. Deshalb ist in vielen Fällen eine unterstützende Pflege, eine flächendeckende Betreuung, eine Förderung der Selbstmanagementfähigkeiten, Prävention und Gesundheitsförderung erforderlich. Insbesondere Menschen mit rheumatischen Erkrankungen benötigen Professionisten mit hohen fachlichen und sozialen Kompetenzen. Für chronische Erkrankungen und für Rheuma im Speziellen, ist es kennzeichnend, dass sich die Pflegebedürfnisse und der Pflegebedarf im Krankheitsverlauf und abhängig von der jeweiligen Lebenssituation, häufig verändern. Deshalb sind Kreativität, Offenheit und Flexibilität in der Pflege und Betreuung dieser Menschen wesentliche Komponenten, die zu einer gelungenen und somit effizienten Versorgung beitragen können. Auch ein „Out-of-the-box“-Denken, im Sinne einer kritischen Reflexion des Behandlungs-/Versorgungsprozesses und der Patient*innen-Pflegenden Beziehung ist eine wesentliche Anforderung an die zukünftigen Bachelor-Nurses.

Als Pflegeperson wird sehr eng und zeitintensiv mit pflegebedürftigen Menschen und deren umgebenden Systemen zusammengearbeitet, deshalb können individuelle Bedürfnisse unmittelbar wahrgenommen werden. Was aus meiner Sicht im Pflegebereich jedoch noch fehlt, ist die Möglichkeit, diesem Bedarf - „Need“- auch nachzugehen (Ideen zu entwickeln – „Ideation“) und aus pflegerischer Perspektive Lösungen anzubieten. Aus Zeitgründen wird dies in der Praxis dann oft anderen Professionen überlassen und somit ist „Pflege“ im Bereich Innovationen kaum sichtbar.

Deshalb habe ich für meine Lehrveranstaltung als Rahmenkonzept, das Design-Thinking und die kreative Methode LEGO® SERIOUS PLAY® (in adaptierter Form) ausgewählt, um den Studierenden Tools zur Verfügung zu stellen, die sie dann auch später in ihrem beruflichen Umfeld nutzen und einsetzen können.

Die kollaborative Zusammenarbeit, die online erfolgte und das Nutzen von verschiedenen digitalen Medien und Kanälen unterstützen dieses Rahmenkonzept in der Ausführung.

Lernoutcome:

Nach Abschluss der Lehrveranstaltung sind die Studierenden mit den Grundlagen von rheumatischen Erkrankungen und deren Schwerpunkten in der pflegerischen Betreuung und Versorgung vertraut. Sie kennen den Prozess des Design Thinkings, verfügen über das Wissen das Profil einer PERSONA (Fokus: sie/er leidet an einer rheumatischen Erkrankung) zu erstellen. In der Lerngruppe werden Ideen generiert, um den individuellen Herausforderungen dieser Persona zu begegnen. Eine Idee wird ausgewählt und ein Prototyp davon (aus Lego und/oder anderen Materialien) angefertigt. Die innovativen Ergebnisse des agilen Entwicklungsprozesses werden zur Sicherung der Lernergebnisse, in einer Präsentation vorgestellt und bewertet.

Kurzzusammenfassung des Projekts

Gesundheitsprobleme werden immer komplexer und stellen die Pflegepersonen in Zukunft und auch heute bereits vor große Herausforderungen (Mayer, Raphaelis, Kobleder, 2021, S.9). Erfahrungswissen allein, reicht für eine effiziente Versorgung nicht mehr aus. Individuelle Bedürfnisse von Menschen mit rheumatischen Erkrankungen zu berücksichtigen und mit kreativen Ideen neue Lösungen zu generieren, war das Ziel dieses Projekts. Die Frage, die sich die Studiereden stellen sollten, lautete: „If you could stand in someone else’s shoes… Hear what they hear. See what they see. Feel what they feel….Would you treat them differently?” Als Rahmenkonzept für den Unterricht wurde das Design Thinking und die Methode des LEGO® SERIOUS PLAY®, gewählt. Im Vorfeld erhielten die Studierenden eine Anleitung, sich im Selbststudium auf die Lehrveranstaltung vorzubereiten und sich abzusprechen, wer Lego zu Hause hat. In der Vorbereitung kamen bereits unterschiedliche analoge und digitale Medien, wie zum Beispiel Fachliteratur, Videos und Blog-Beiträge, zum Einsatz. In der Lehrveranstaltung (online-Format-Microsoft Teams) wurde die digitale kollaborative Zusammenarbeit gefördert. Die Studierenden haben in 4-er Teams gemeinsam eine Lösung für ein individuelles Problem erarbeitet. Außerdem waren die Studierenden gefordert, gemeinsam kreativ zu sein und ihre Lernergebnisse (Ideen), abschließend in Form eines Prototypen zu präsentieren.

Kurzzusammenfassung des Projekts in englischer Sprache

Chronic illness is one of the major issues of nursing in future. Delivering person centered care and turning individual needs into innovative ideas, which support people, who suffer from rheumatic diseases is a most challenging goal. To meet this individual need, nursing students have to be creative, open-minded and solution-focused, which was the main objective of this course. The students had to answer the following question: “If you could stand in someone else’s shoes… Hear what they hear. See what they see. Feel what they feel…Would you treat them differently?” In the run up to the course the students had to prepare themselves, guided by a self-study instruction. For this purpose, the use of different types of media, for example subject specific literature, videos or blogs was required. The main course was realized in an online format via the platform of Microsoft-Teams, which encouraged the students in their competence of collaborative working in a digital environment. Creativity was needed to design a prototype of the learning outcome.

Nähere Beschreibung des Projekts

Das LV-Konzept basierte auf dem Design Thinking Prozess und wurde didaktisch in drei Phasen aufgebaut:

 

(1) Einstieg:

o Hier ging es darum, die Phase 1 (Verstehen - Problem definieren) und die Phase 2 (Beobachten - Pflegebedürfnisse verstehen) abzubilden.

o Es wurde eine Selbstlernphase für die Studierenden gestaltet. Diese diente zur Aktivierung des Vorwissens und zur Verknüpfung mit den neuen Inhalten. Die Selbstlernphase wurde am ecampus abgebildet und an die Studierenden kommuniziert. Der Auftrag sollte bis zum ersten Termin der LV erfüllt sein.

 

Zur Veranschaulichung des Einstiegs in die Lehrveranstaltung findet sich hier

o die Aufgabenstellung für die Selbstlernphase: skill.fhstp.ac.at/wp-content/uploads/2022/01/211208_Anleitung_Preparation-fuer-LV.pdf

 

(2) Erarbeitung:

o Zum Start der LV (Online-via MS Teams) wurden die Erkenntnisse aus der Vorbereitung und die Kernpunkte „Pflege bei rheumatischen Erkrankungen“ besprochen.

o Als Grundlage diente eine Power Point Präsentation, hier wurden die wesentlichsten Inhalte nochmals zusammengefasst und für die Studierenden aufbereitet (Phase 3: Synthese): skill.fhstp.ac.at/wp-content/uploads/2022/01/211206_DPH302_Rheuma_allgemein.pdf

o Dann wurde der Auftrag für die Gruppenarbeit kommuniziert, die Studierenden in 4-er Teams aufgeteilt und in Break-Out-Rooms geschickt. Ebenso wurde den Studierenden ein Template für die Persona-Beschreibung und ein Template für den Ideensteckbrief zur Verfügung gestellt: skill.fhstp.ac.at/wp-content/uploads/2022/01/211208-Anleitung-Gruppenarbeit_Rheuma.pdf

o Phase 4: Idee und Phase 5: Prototyping wurde von den Studierenden kollaborativ in der Gruppe erarbeitet

 

(3) Ergebnissicherung:

o hier wurde das Format eines fiktiven „Innovation-Calls“ gewählt. Die Studierenden sollten ihre Ergebnisse (Innovationen) in der Großgruppe vorstellen. Präsentiert wurden die Persona und der Ideensteckbrief. Nach der Bewertung erhielt die Gruppe mit den meisten Punkten ein fiktives Start-Up Ticket. Sie konnten mit ihrer Innovation dann die letzte Phase des Design Thinking Prozesses durchlaufen: Phase 6: Testen

o als Jury wurde jeweils eine andere Gruppe eingeteilt, es gab insgesamt 15 Punkte zu verteilen

o die Bewertungskriterien waren: Innovationsgehalt, Umsetzbarkeit und Praxistauglichkeit

o der „Call“ wurde von mir als LV-Leiterin moderiert

o das beste Ergebnis wurde fiktiv prämiert (Überreichung des Start-up-Tickets und somit endete die LV)

 

Zur Veranschaulichung der Ergebnisse und der offensichtlichen Kreativität der Studierenden abschließend hier noch zwei Umsetzungsbeispiele aus den Arbeitsgruppen zum „Innovation Call“:

o Umsetzungsbeispiel 1: skill.fhstp.ac.at/wp-content/uploads/2022/01/Umsetzungsbeispiel-1.pdf

o Umsetzungsbeispiel 2: skill.fhstp.ac.at/wp-content/uploads/2022/01/Umsetzungsbeispiel-2.pdf

Nutzen und Mehrwert

Der direkte Mehrwert ist, dass die Studierenden in der Gesundheits- und Krankenpflege neue Methoden und Tools kennen lernen, die zu einer Perspektivenerweiterung führen. Mit der Hilfe von kreativen Methoden können neue Ideen entstehen und umgesetzt werden. Pflegeentwicklung muss aus der Berufsgruppe selbst heraus erfolgen und das beginnt damit, dass in der Ausbildung bereits das kritische Denken angeregt und geübt wird. Kritisch in dem Sinn, dass sich eine professionelle Pflegeperson sehr genau überlegen muss, wie eine individuelle und personalisierte Pflege gelingen kann. Dazu benötigt es Kreativität, Offenheit, Flexibilität und vor allem Fachkompetenz. Diese Elemente werden im Rahmen dieses Unterrichtskonzepts bei den Studierenden angesprochen und trainiert. Auch die Zusammenarbeit im Team, die Kommunikation und das Ausarbeiten einer gemeinsamen Lösung bereitet die Studierenden auf die Teamarbeit im praktischen Arbeitsalltag vor. Argumente finden, diskutieren, Kompromisse eingehen, wertschätzend kommunizieren, eigene Einstellungen überdenken und neue Sichtweisen zu gewinnen sind nur einige der Kompetenzen die, die Studierenden mit diesem Lehrkonzept üben können.

Nachhaltigkeit

Die Nachhaltigkeit dieses Projektes kann im exemplarischen Lernen gesehen werden. Das Konzept ist durchaus auf andere Lehrsituationen und Lernsituationen im Bereich der Gesundheits- und Krankenpflege übertragbar. Es ergeben sich hier eine Vielfalt an Möglichkeiten, Medien zu nutzen und einzusetzen, mit dem Fokus, dass Studierende aktiv Lernende bleiben. Studierende können dann auf ihre Vorerfahrungen aus dieser Lehrveranstaltung zurückgreifen, diese vernetzen und erweitern.

 

Dozierende sollten in der Gesundheits- und Krankenpflege ein Unterrichtsformat wählen, das Studierende dazu anregt, eigenständige Lösungen zu suchen und Ergebnisse zu entwerfen. Studierende in einer Bachelor- Ausbildung müssen nach dem erfolgreichen Abschluss ihres Studiums in der Lage sein, im komplexen Versorgungsprozess Verantwortung zu übernehmen. Um das zu verwirklichen, muss Eigenverantwortung, kritisches Denken und Selbstreflexion auch bereits im Unterricht geübt werden.

 

Wenn die Studierenden einmal mit dem Design Thinking und mit Lego®Serious Play® vertraut sind, ist es möglich dieses Wissen auch in anderen Lernszenarien einzusetzen und weiter zu vertiefen. Ebenso könnte eine interdisziplinäre Lehrveranstaltung und die Einbindung von externen Stakeholdern angedacht werden, dies könnte eine optimale Ergänzung zur Entwicklung, die in der LV begonnen hat, darstellen.

 

Die Übertragbarkeit liegt für mich auch im Training der digitalen Kompetenzen. Die Studierenden mussten sich aktiv in den Lernprozess einbringen und hatten Gelegenheit durch digitale Tools auch aus der Ferne ein gemeinsames Ergebnis zu erzielen. Die Ausarbeitung und Abstimmung zum Lernergebnis erfolgten ebenfalls digital. Digitale Kompetenzen gilt es in besonderer Weise zu fördern und zu entwickeln, da diese auch in der Zukunft der Gesundheit- und Krankenpflege eine immer wichtigere Rolle spielen werden.

Positionierung des Lehrangebots

Bachelorstudiengang Gesundheits- und Krankenpflege Plus

 

Modul: Dimensionen pflegerischen Handelns III

Curriculum: 3. Semester

Lehrveranstaltung:

• DPH302 Pflege von Menschen mit chronischen Gesundheitsbeeinträchtigungen

• ILV, 1,5 SWS/1,5 ECTS,

• 3 Themenbereiche/ Teil 2: Thema: Rheumatische Erkrankungen

 

Format der LV

Die LV war ursprünglich in einem Präsenz-Format geplant, aufgrund der COVID-19 Pandemie und den dazu geltenden Bestimmungen wurde das Format gänzlich auf ONLINE umgestellt.

 

Prüfungsmodalitäten

o Fallorientierte schriftliche Abschlussprüfung (80%)

o Selbststudienaufträge (20%)

• Fallbearbeitung

• Gruppendiskussion (Studierende lesen 2 Fachartikel, posten einen Beitrag und kommentieren einen Beitrag ihrer Kolleg*innen)

Links zu der/den Projektmitarbeiter/innen
Das Beispiel wurde für den Ars Docendi Staatspreis für exzellente Lehre 2022 nominiert.
Ars Docendi
2022
Kategorie: Lehre und Digitale Transformation
Ansprechperson
Elisabeth Enengl, BSc MSc
Department Gesundheit/Bachelor Studiengang Gesundheits- und Krankenpflege PLUS - VZ
+43/676/847228487
Nominierte Person(en)
Elisabeth Enengl, BSc MSc
Department Gesundheit/Bachelor Studiengang Gesundheits- und Krankenpflege PLUS - VZ
Themenfelder
  • Digitalisierung
  • Lehr- und Lernkonzepte
  • Erfahrungslernen
Fachbereiche
  • Medizin und Gesundheitswissenschaften