Johannes Kepler Universität Linz
Altenberger Straße 69, 4040 Linz
Weitere Beispiele der Hochschule

Virtuelle Anatomie

Ziele/Motive/Ausgangslage/Problemstellung

Bildgebende Schnittbild-Verfahren, wie die Computer-Tomographie (CT) und die Magnetresonanz-Tomographie (MR) haben in den letzten Jahrzehnten die medizinische Diagnostik revolutioniert. Neben krankhaften Veränderungen stellen sie intrinsisch auch die normale Anatomie des lebenden Menschen sehr detailliert dar. Software-technische Entwicklungen machen es mittlerweile möglich, aus diesen Schnittbildern auch dreidimensionale Darstellungen zu erzeugen. Die neueste Entwicklung in diesem Bereich ist das 2014/2015 entwickelte sogenannte Cinematic Rendering, das fotorealistische dreidimensionale Darstellungen aus geeigneten CT- und MR-Datensätzen generieren kann. Damit können eindrucksvolle und sehr detaillierte Darstellungen der Anatomie lebender Menschen erzeugt werden. Diese Entwicklung wurde auch 2017 für den Deutschen Zukunftspreis nominiert. Aufgrund dieser Voraussetzungen entstand die Motivation, dieses Verfahren im Anatomieunterricht für Medizinstudierende im Rahmen einer Virtuellen Anatomie einzusetzen und damit neue Möglichkeiten der Medizindidaktik in diesem Bereich zu eröffnen.

In Linz gibt es die Möglichkeit einer hochauflösenden Darstellung auf einer Projektionsfläche von 16 x 9 m im Deep Space des Ars Electronica Centers. Hier können zudem auch sehr realistische 3D Visualisierungen mittels Stereoskopie unter Verwendung aktiver Shutter Brillen erzeugt werden. Daher war es von Anfang an auch das Ziel, diese high-tech-Möglichkeit den Medizinstudierenden zur Verfügung zu stellen. Zu diesem Zweck wurde dort ein stereoskopiefähiger Prototyp des Cinematic Rendering installiert, um diesen Raum für den Unterricht nutzen zu können. Mittlerweile ist diese Methode seit 2019 im routinemäßigen Einsatz im Anatomieunterricht an der Medizinischen Fakultät im eigens dafür eingerichteten JKU medSPACE.

Dabei wurde von Anfang an darauf geachtet, weitere Fachbereiche, wie die konventionelle Anatomie und insbesondere auch klinische Disziplinen intensiv einzubinden, um ein gesamtheitliches Konzept für die Vermittlung der Anatomie herzustellen. Die Lehrveranstaltung „Virtuelle Anatomie und Patho-Anatomie“ wurde dabei auch thematisch exakt in den Themenplan des gesamtanatomischen Curriculums eingebettet.

Eine interaktive Beteiligung der Studierenden erfolgt mittels integriertem TED-Umfrage Tool „Mentimeter“. Damit wird während der LVAs mehrfach abgefragt und die Studierenden können am eigenen Handy abstimmen. Das Ergebnis wird als Diagramm eingeblendet. Dies ermöglicht zum einen die anonyme Echtzeit-Selbstüberprüfung für die Studierenden als auch das unmittelbare Feedback an die Lehrenden über den Wissensstand der Hörerschaft.

Zusammen mit den Medizinstudierenden wurde und wird dieser neue Ansatz in der Lehre laufend weiterentwickelt.

Kurzzusammenfassung des Projekts

Eines der Hauptziele des Humanmedizinstudiums an der Johannes Kepler Universität ist eine studierendenzentrierte und praxisorientierte Ausbildung. Dazu benötigt es auch hochmoderne, innovative Ansätze, was mit der Etablierung der Virtuellen Anatomie im eigens dafür eingerichteten JKU medSPACE gelungen ist.

Mittels der für den Deutschen Zukunftspreis nominierten 3D Cinematic Rendering Technologie werden aus zweidimensionalen Computer- und MR-Tomographie-Bildern dreidimensionale, farblich aufbereitete und strukturspezifische dreidimensionale Modelle der Anatomie lebender Menschen live während der interaktiven Vorlesungen erzeugt. In zwei Lehrveranstaltungen im 3. und 4. Semester wird diese Methode bereits erfolgreich für den Anatomie-Unterricht eingesetzt.

Die interaktive Verflechtung von zwei- und dreidimensionaler virtueller Anatomie vertieft dabei einprägsam und auf anschauliche Weise das erforderliche Wissen in diesem Bereich. Zudem akquirieren die Studierenden damit Kenntnisse im diagnostischen Bereich, von denen sie nachhaltig für ihre spätere klinische Laufbahn profitieren. Durch direkten Vergleich mit pathologischen Veränderungen wird den Studierenden die Wichtigkeit der Kenntnis der Normalanatomie noch intensiver bewusst.

Die Methode kann darüber hinaus auch in Lehrveranstaltungen im klinischen Abschnitt sowie für postgraduelle Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen verwendet werden.

Kurzzusammenfassung des Projekts in englischer Sprache

One of the main goals of human medicine studies at Johannes Kepler University is student-centered and practice-oriented education. This include state-of-the-art, innovative approaches like the establishment of Virtual Anatomy. For this purpose, the medSPACE was specifically set up.

By using 3D Cinematic Rendering technology (which was nominated for the German Future Prize) three-dimensional, color-processed and structure-specific models of the anatomy of living people are generated from two-dimensional computer and MR tomography images live during the interactive lectures. This method is already being successfully used to teach anatomy in two courses in the 3rd and 4th semester.

The interactive interweaving of two- and three-dimensional virtual anatomy provides a memorable and vivid way to deepen the required knowledge in this area. In addition, the students acquire knowledge in the diagnostic field, from which they will profit in the long term for their later clinical careers.

The method of teaching can also be used in courses in the clinical section and for postgraduate training and continuing education courses.

Nähere Beschreibung des Projekts

Ausgangssituation und Entwicklung

Für die Ausbildung zukünftiger Ärztinnen und Ärzte stellt die Anatomie einen wichtigen Grundpfeiler dar. Eine qualitativ hochwertige Ausbildung ist die Voraussetzung in der zunehmend technisierten, interdisziplinären und hochspezialisierten medizinischen Versorgung. Das Studium am Humanpräparat ist auch im 21. Jahrhundert weiter das Mittel der Wahl für die Ausbildung im Medizinstudium und darüber hinaus als Trainingsszenario für die klinische Spezialisierung. Neben dieser etablierten Form der Anatomieausbildung wurden in den vergangenen Jahren virtuelle Lernformen etabliert, welche z.T. auf digitalen Modellen und z.T. auf klinischen Bilddatensätzen beruhen. Durch die Kombination klinisch-radiologischer Befunde von Gesunden und Kranken kann die zukünftige Medizinergeneration so auf die Anwendung moderner Technologien vorbereitet werden.

2014/15 wurde Cinematic Rendering, eine neuartige 3D Visualisierungsmethode für medizinische Schnittbilddaten von Klaus Engel in Princeton entwickelt. Diese zeichnet sich durch eine höchst fotorealistische dreidimensionale Darstellung aus. Wie in der Filmindustrie werden hier zur Beleuchtung der Szenen fotografisch aufgenommene Kugelpanoramen verwendet. Damit können die medizinischen Quelldaten in einer natürlichen Beleuchtung dargestellt werden. Diese komplexen Beleuchtungsumgebungen und der hohe Dynamikumfang der entstehenden Bilder bringen die anatomischen Strukturen besonders gut zur Geltung, zusammen mit komplexen Kameraeffekten, sowie variable Blenden, Belichtungszeiten und Optiken.

In einem ersten Schritt werden aus den vom Scanner aufgenommenen Daten Schnittbilder durch den Körper rekonstruiert. Diese sogenannten Quellbilder mit einer Schichtdicke von 0.5-1 mm werden übereinandergelegt und dadurch ein 3D Volumen erzeugt. Im 3D Volumen werden alle möglichen Pfade simuliert, entlang derer sich Licht ausbreiten kann. Durch einen Algorithmus, der nur die Lichtpfade findet, die das Auge erreichen, wird dann die komplexe Interaktion des Lichtes mit den medizinischen Daten simuliert. Nun werden durch einen CT Scanner keine Farbinformationen aus dem Körper gewonnen, dieser liefert Informationen über die Abschwächung der Röntgenstrahlung im Körper. So schwächen z.B. Knochen die Strahlung mehr ab als Muskelgewebe oder Flüssigkeiten. Mittels sogenannter Transferfunktionen können nun verschiedene Strukturen automatisch unterschiedlich eingefärbt werden. So werden durch Transferfunktionen den verschiedenen Organen unterschiedliche Farben, aber auch Transparenzen zugeordnet. Damit können während des Unterrichts bestimmte Strukturen unterschiedlich prägnant dargestellt oder ausgeblendet werden. Eine zuverlässige Organdifferenzierung gelingt durch fortgeschrittene Bilderkennungsalgorithmen.

2015 wurde dann ein stereoskopiefähiger Prototyp des Cinematic Rendering im Deep Space des Ars Electronica Centers in Linz installiert. Bei diesem Raum handelt es sich um einen hochauflösenden Multifunktions-8K-Projektionsraum. Mittels aktiver Shutter-Brillen ist dort ein sehr realistischer dreidimensionaler Eindruck der beobachteten Objekte möglich. Diese Installation diente auch als Vorbereitung auf einen möglichen Einsatz im Anatomieunterricht an der Medizinischen Fakultät ab 2019.

Nach der erfolgreichen Installation im AEC wurde zunächst mit Anatomie-Veranstaltungen für die Öffentlichkeit begonnen (Anatomie für alle, Universum Mensch). Diese Präsentationen waren von Anfang an sehr erfolgreich, mittlerweile haben über 20.000 Besucher diese gesehen. Dabei zeichnete sich schon von Anfang an ab, dass diese Methode für den Anatomieunterricht höchst geeignet ist.

2017 wurde Cinematic Rendering (Engel, Schneider, Fellner) für den Deutschen Zukunftspreis nominiert.

Parallel dazu wurde ein neuartiges Curriculum für den Anatomieunterricht an der JKU entwickelt, dessen Grundprinzip die hohe, multidisziplinäre Integration von medizinischen Lehrinhalten ist. Dazu wird in Abstimmung mit dem theoriebasierten Unterricht zur Anatomie, dem klassischen Präparierkurs (in Kooperation mit der Partneruniversität Medizinische Universität Graz), einem anatomischen Modellseminar mit Plastinaten, Schnittscheiben und Kunststoffmodellen sowie am Markt gängiger Anatomie-Software auch das Vertiefen der Inhalte mittels virtueller Anatomie unter Nutzung der stereoskopischen 3D Cinematic Rendering Technologie. Diese verschiedenen Säulen des Anatomieunterrichts – klassisch und höchst innovativ – sind nahtlos aufeinander abgestimmt und ergänzen sich gegenseitig, so dass für die Studierenden ein innovatives didaktisches Konzept zum Tragen kommt.

2019 wurde mit der wöchentlich stattfindenden Lehrveranstaltung „Virtuelle Anatomie und Patho-Anatomie I und II“ (3. und 4. Semester) im AEC begonnen. Diese wurde detailliert auf den gleichzeitig stattfindenden organspezifischen Theorie-Unterricht abgestimmt.

Um für künftige Ausbildungsszenarien und auch für die steigende Zahl an Studierenden vorbereitet zu sein, wurde am neuen Med Campus ein mit dem AEC Deep Space vergleichbarer Raum eingerichtet (JKU medSPACE). Seit der Eröffnung des Med Campus und damit des JKU medSPACE im Oktober 2021 findet die Lehrveranstaltung hier statt.

 

Prinzipien und Ablauf

Die dreidimensionale Darstellung der menschlichen Anatomie auf Basis von CT- und MR-Daten mittels Cinematic Rendering bietet eine zukunftsweisende und realgetreue Präsentation topographisch anatomischer Strukturen und ist eine unbestrittene Stärke dieses neuartigen didaktischen Konzepts. Der Großteil der Anatomie kann einprägsam auf anschauliche Weise in 3-D-Visualisierungen übersichtlich präsentiert und gelehrt werden. Besonderer Vorteil dieser virtuellen Anatomie im Vergleich zur klassisch praktischen Anatomie ist, dass nicht nur Bilder von gesunden Menschen, sondern im direkten Vergleich auch jegliche Formen von pathologischen Veränderungen gegenübergestellt werden können. Dadurch ist eine anschauliche und verständliche Integration zwischen Anatomie und Pathologie möglich.

Neben der Vermittlung anatomischer Kenntnisse durch die stereoskopische 3D Darstellungen mittels Cinematic Rendering werden auch die entsprechenden Schnittbilder von CT und MR sowie Ultraschall- und Röntgenaufnahmen eingesetzt. Damit werden den Studierenden interaktiv anatomische Kenntnisse sowohl im 3D- als auch im 2D-Schnittbildbereich vermittelt. Auf diese Weise erleben die Studierenden eine nachhaltige Ausbildung, da sie auch die Fähigkeit, Schnittbilder und Röntgenbilder zu analysieren, für ihre spätere klinische Laufbahn akquirieren. Darüber hinaus werden zum entsprechenden Thema auch pathologische Fälle im Quiz-Format demonstriert, wodurch den Studierenden die Notwendigkeit, die normale Anatomie genau zu kennen, noch bewusster wird. Im Rahmen permanenter Interaktion von Lehrenden und Studierenden werden neben konventionellen mündlichen Abfragen auch TED-Umfragen mit dem Internet-basierten Tool „Mentimeter“ eingesetzt. Dabei können die Teilnehmer am eigenen Handy anonym abstimmen. Durch diese Anonymität nehmen auch Studierende teil, die mündlich Antworten im Plenum ansonsten scheuen. Die bisherigen Evaluationen haben nachdrücklich gezeigt, dass dieser Ansatz von den Studierenden sehr geschätzt wird.

Um auch im Rahmen des virtuellen Anatomie-Unterrichtes einen Bezug zum traditionellen Anatomieunterricht herzustellen, wird an geeigneten Stellen eine Liveschaltung an die Anatomie, konkret den Präpariersaal der Medizinischen Universität Graz hergestellt. Dort werden vom Lehrpersonal des Anatomieinstitutes die zuvor mit 3D Bildern behandelten Themen an Humanpräparaten demonstriert.

Die Verbindung der Grundlagenmedizin mit der klinischen Ausbildung ist ein wichtiger Grundpfeiler einer modernen medizinischen Ausbildung. Das Konzept der Virtuellen Anatomie eignet sich in besonderer Weise, dieses Ziel zu umzusetzen. So beteiligen sich auch Kliniker, insbesondere Vertreter*innen mit chirurgischem Hintergrund, die anhand von Operations- und Endoskopie-Videos, teilweise in 3D-Darstellung, zeigen, wie die in-vivo Anatomie aus deren und dem späteren Blickwinkel chirurgisch tätiger Mediziner*innen aussieht.

Damit wird den Studierenden in einer Lehrveranstaltung interaktiv vermittelt, wie die Anatomie in den verschiedenen Situationen (Humanpräparate, bildgebende Verfahren, OP und Endoskopie) aussieht.

Je nach Corona-Situation kann die Lehrveranstaltung entweder hybrid oder komplett in Distanz abgehalten werden. Technisch besteht die Möglichkeit, das 3D-Signal in ein 2D-Signal umzuwandeln und dann live als Streaming zu übertragen, so dass auch Studierenden zu Hause an den Bildschirmen eine optimale Bildqualität zur Verfügung steht. Mit der Mentimeter-Technologie und einer Chat-Funktion kann auch der wechselseitige Austausch während der Lehrveranstaltung realisiert werden.

 

Fazit und Ausblick

Die hohe Anschaulichkeit der anatomischen Inhalte, der durchgängige Praxisbezug mittels Gegenüberstellung von 3D-Datensätzen und 2D-Bildern sowie durch die Einbindung von klinischen 3D-Videosequenzen aus operativen- und endoskopischen Eingriffen stellt für die Studierenden ein ganzheitliches, neuartiges Lehrkonzept dar, das hohen Anklang findet. Evaluierungsergebnisse und Rückmeldungen sowie auch das Abschneiden der Studierenden bei einschlägigen medizinischen Prüfungen geben dem Konzept recht. Vertretbare technische und didaktische Adaptionen in der Corona-bedingten Distanz-Lehre haben gezeigt, dass es sich um ein ausfallsicheres und anpassbares Lehrformat handelt. Im Zuge dieser technischen Möglichkeiten sind konkrete Weiterentwicklungsprojekte initiiert worden, wie die Kooperation mit der Medizinischen Universität Graz für eine gemeinsame Lehrveranstaltung, bei der Virtuelle Anatomie und Präparateanatomie in einem gemeinsamen Lehrkonzept unterrichtet werden sollen.

Nutzen und Mehrwert

Die virtuelle Anatomie in 3D mit Cinematic Rendering visualisiert die Anatomie lebender Menschen. Hier gibt es z.T. erhebliche Unterschiede zur Anatomie toter Menschen (Präparateanatomie). Dies betrifft im Generellen die Unversehrtheit der anatomischen Strukturen oder im Speziellen z.B. die prägnantere Darstellung von Gefäßen (weil diese noch mit Blut gefüllt sind und daher z.T. besser abgegrenzt werden können), die unterschiedliche Lage und/oder Konfiguration beweglicher Organe, so etwa Magen oder Nieren.

Sehr bewährt hat sich das in der Lehrveranstaltung „Virtuelle Anatomie und Patho-Anatomie“ etablierte gesamtheitliche Konzept, dass in einer Lehreinheit zum gegebenen Thema die verschiedenen Aspekte der Anatomie demonstriert werden, wie virtuelle Anatomie (Anatomie des Lebenden mit CT- und MR-Schnittbildern) sowohl zwei- als auch dreidimensional, Präparateanatomie und spezifische intraoperative bzw. endoskopische Anatomie. Dieser multidisziplinare Ansatz wird von den Studierenden sehr geschätzt.

Darüber hinaus ist diese Lehrveranstaltung eine optimale Vorbereitung auf den Sezierkurs, so dass hier ein noch besserer Lerneffekt in diesem Kurs zu erwarten ist und daraus eine signifikante Lernerleichterung resultiert.

Der nachhaltigste Effekt jedoch insgesamt ist sicherlich die frühe Fähigkeit, Röntgen- und Schnittbilder (CT und MR) anatomisch lesen zu können und grundlegende Kenntnisse patho-anatomischer Veränderungen zu akquirieren. Dies ist sehr wichtig für die spätere klinische Laufbahn der Studierenden und zwar unabhängig davon, welches Fach sie wählen werden. Tägliche Radiologie-Besprechungen sind mittlerweile Standard in jedem klinischen Fach. Zudem ist für chirurgische Fächer die Fähigkeit, bildgebende Untersuchungen richtig lesen zu können, erheblich für ihre operative Tätigkeit.

Das Einbinden pathologischer Fälle in jede einzelne Lehrveranstaltung steigert zudem das Interesse der Studierenden an der Anatomie, da diesen dadurch noch mehr bewusst wird, wie wichtig die Kenntnis der Normalanatomie ist, um Abweichungen von der Norm erkennen zu können. Intensiv werden dabei auch pathologische Beispiele vermittelt und trainiert, deren Kenntnis für alle Medizinstudierenden für ihre spätere klinische Laufbahn von Bedeutung sind, unabhängig davon, welches Fachgebiet sie dann ergreifen.

Nachdem die Lehrveranstaltungen in hoher Bildqualität aufgezeichnet und gespeichert werden können, stehen diese im Bedarfsfall bei kurzfristigem Ausfall der Lehrperson zur Verfügung, ohne dass akut eine andere Lehrperson einspringen muss. Damit können wertvolle Zeitressourcen von Lehrpersonen eingespart werden.

Nachhaltigkeit

Die Lehrveranstaltung „Virtuelle Anatomie und Patho-Anatomie“ wird seit 2019 routinemäßig durchgeführt und ist als Pflichtveranstaltung im Curriculum Bachelor Humanmedizin im Bereich Anatomie im 3. und 4. Semester verankert. Sie wird auch weiterhin als Pflichtveranstaltung durchgeführt. Diese hohe Integration der Virtuellen Anatomie in den Lehrplan über ein ganzes Studienjahr führt zu einem nachhaltigen Wissenserwerb in den Bereichen der Anatomie und der Radiologie.

Um den Studierenden auch Möglichkeiten zum Nachlernen bzw. Wiederholen zu geben, wird die Lehrveranstaltung aufgezeichnet und diese Aufzeichnung auf der Moodle-Plattform der JKU permanent zur Verfügung gestellt. Durch die Translation in einen 2D Modus während der Aufzeichnung wird zwar keine 3D Darstellung für Zuhause möglich, es steht den Studierenden aber auch hier eine exzellente Bildqualität zur Verfügung.

Neben der Lehrveranstaltung „Virtuelle Anatomie und Patho-Anatomie“ kann 3D Cinematic Rendering auch in anderen Lehrveranstaltungen, dann im klinischen Bereich, eingesetzt werden. Dies kann nicht nur zur Wiederholung und Vertiefung der jeweiligen fachspezifischen Anatomie dienen, sondern es können auch passende, konkrete pathologische Fälle demonstriert werden. Damit ergibt sich ein weiteres großes Einsatzgebiet für diese Methode

Die Technologie und das damit verbundene didaktische Lehrkonzept lassen innovative Weiterentwicklungs- und Kooperationsprojekte zu. Derzeit ist als Nachfolgeprojekt eine gemeinsame Lehrveranstaltung mit der Partneruniversität, der Medizinischen Universität Graz, geplant. Dabei wäre nach der derzeitigen Konzeption mittels entsprechendem Beamer in Graz auch dort eine dreidimensionale Darstellung für die Studierenden möglich. Somit können im Rahmen einer gemeinsamen Lehrveranstaltung sowohl die Linzer als auch die Grazer Studierenden die virtuelle Anatomie-Präsentation in 3D und, mit den 3D-Inhalten abgestimmt, auch eine Demonstration aus der Päparateanatomie zum entsprechenden Organbereich aus der Anatomie Graz sehen. Technisch könnten an dieses System auch Teilnehmer an weiteren universitären Standorten – national und international – angebunden werden. Die derzeitige Konzeption der Umsetzung dieses Kooperationsprojekts sieht auch die Aufzeichnung der gemeinsamen Lehrveranstaltung in 2D vor, so dass die Demonstrationen auch zeit- und ortsunabhängig als Prüfungsvorbereitung oder zur Vertiefung in hoher technischer Qualität nach Bedarf genutzt werden können.

Die Einbindung der hinter den 3D-Bildern stehenden radiologischen Schnitt-Bilder und deren detaillierte interaktive Besprechung in Bezug auf die zuvor gezeigte 3D Anatomie führt zu einem nachhaltigen Lerneffekt. Diese anschauliche Einführung in die Röntgen- und Schnittbildanatomie sowie die Demonstration patho-anatomischer Befunde und klinischer Inputs aus den verschiedenen Disziplinen ergeben einen höchst nachhaltigen Lerneffekt.

Eine weitere Anwendung über den Bereich des Medizinstudiums hinaus, ist der Einsatz im postgraduellen Fortbildungsbereich. Diesbezüglich haben bereits mehrere Veranstaltungen stattgefunden (Herzchirurgie, Neurochirurgie, Orthopädie, Viszeralchirurgie, Mund-Kiefer- und Gesichtschirurgie).

Aufwand

Für die Lehrveranstaltung „Virtuelle Anatomie und Patho-Anatomie“ musste ein eigenes Curriculum entwickelt werden, das thematisch exakt an den übrigen Anatomieunterricht im 3. und 4. Semester angepasst ist. Dafür mussten entsprechende geeignete CT- und MR-Datensätze aufbereitet werden.

 

Zudem wurde mit großem Aufwand der Cinematic Rendering Prototyp laufend weiterentwickelt, um praktikabel für die Routineanwendung im Unterricht eingesetzt werden zu können.

 

Für den Medizinischen Campus, der im Oktober 2021 in Betrieb genommen wurde, wurde im Vorfeld ein entsprechender hochauflösender 8K-Projektionsraum mit einer Projektionsfläche von 14x7 m geplant und errichtet werden. Dieser wurde zeitgerecht fertiggestellt und ist seit Oktober 2021 im routinemäßigen Einsatz in der Medizinischen Lehre.

Positionierung des Lehrangebots

Die Lehrveranstaltung Virtuelle Anatomie und Patho-Anatomie findet im Bachelorabschnitt des Medizinstudiums an der JKU Linz im 3. und 4. Semester statt.

Links zu der/den Projektmitarbeiter/innen
Das Beispiel wurde für den Ars Docendi Staatspreis für exzellente Lehre 2022 nominiert.
Ars Docendi
2022
Kategorie: Lehre und Digitale Transformation
Ansprechperson
Prof. Dr. Franz Fellner
Medizinische Fakultät
057680832049
Nominierte Person(en)
Prof. Dr. Franz Fellner
Medizinische Fakultät
Themenfelder
  • Curriculagestaltung
  • Lehr- und Lernkonzepte
  • Infrastruktur/Lehrmaterialien
  • Digitalisierung
Fachbereiche
  • Medizin und Gesundheitswissenschaften