SE "Ökumenische Theologie: Glaube und konfessionelles Selbstverständnis - Grundbegriffe der Theologie in ökumenischer Perspektive"

Ziele/Motive/Ausgangslage/Problemstellung

Die Studierenden kommen aus verschiedenen Konfessionen mit sehr unterschiedlichen Formen kirchlicher Sozialisation: katholische Mehrheitskirche mit teils national verschiedenen Traditionen; evangelische Minderheitskirche mit fest etablierten Strukturen; orthodoxe und orientalisch-orthodoxe Diasporakirche mit sehr verschiedenen national-kulturellen Verwurzelungen, mit der Suche nach einheitlicher, gesellschaftlicher Positionierung. Die Lehrenden kommen aus Serbien, Deutschland und Österreich aus den drei großen Konfessionen und haben Erfahrungen in nationaler und internationaler ökumenischer Dialogarbeit.

Die für Österreich typische Situation einer großen kirchlichen Vielfalt findet inzwischen ihren Niederschlag auch in den Schulen. Das betrifft in gleicher Weise das Gelingen von Interkonfessionalität auf nationaler wie auch internationaler Ebene, wie auch dort anzutreffende Spannungen und sich ereignende Konflikte. Dem muss die Ausbildung für das Fach Religion gerecht werden, damit der schulische Religionsunterricht einem irenischen Zusammenleben der Gesellschaft dienlich sein kann.

Die Studierenden sollen deswegen lernen, den eigenen Glauben zu reflektieren, und dies unter einem weiteren Horizont konfessioneller Pluralität. Sie eigenen sich - in Eigen- und Fremdperspektive - ökumenisch-theologisches Fachwissen an, zusammen mit der Suche nach einer ökumenischen Offenheit, als wichtige Voraussetzungen für den Religionsunterricht in seiner Gesamtheit. Es geht u.a. darum, zwischen konfessioneller Verengung und pluralem Indifferentismus, zwischen apologetisch-fremdverneinend und nichtssagender Beliebigkeit einen Weg des respektvollen Miteinanders zu gehen, der konfessionelle „Andersartigkeit“ als Ergänzung und Bereicherung bei der je eigenen Selbstvergewisserung ansehen kann. Dies kann nur in einem interkonfessionellen „Trialog“ gelingen, der Gleiches zwischen den Konfessionen erkennt und Unterschiedliches er- und begründet.

Kurzzusammenfassung des Projekts in deutscher Sprache

Im derzeitigen Bachelorstudium für das Lehramt für die Primarstufe bildet die KPH Wien/Krems auch Religionslehrerinnen und Religionslehrer aus. Im aktuellen Curriculum gibt es in jedem christlich-konfessionellen Schwerpunkt zwei korrelierende ökumenische Lehrveranstaltungen. Der Unterricht findet teils getrennt und teils gemeinsam statt. Dies ist dem besonderen Charakter der österreichischen Bildungslandschaft geschuldet.

Die Studierenden erwerben ökumenische Kompetenzen, indem sie die konfessionelle Andersartigkeit in Kirchenräumen und Gottesdienst erkunden. Von dort kommen sie im Austausch mit den anderskonfessionellen Studierenden und Lehrenden zu einem adäquaten Umgang mit ökumenisch-theologischen Grundbegriffen. In einem Prozess reflektierender Selbstvergewisserung lernen die Studierenden, die „Anderen mit den Augen der anderen zu sehen“. Diese Form des „trialogischen Lernens“ wird begleitet von einem eigens erstellten Begleitheft zur Lehrveranstaltung.

 

Kurzzusammenfassung des Projekts in englischer Sprache

The University College of Christian Churches for Teacher Education in Vienna / Krems, Austria, offers a study programme for primary student teachers, in which they focus on Christian Religious Education in primary school. Each of the current denominational curricula in Christian Religious Education contains two correlating ecumenical courses, which are partly taught separately and partly as joint denominational programmes. This is due to the specific characteristics of the Austrian school system. Students acquire ecumenical skills by exploring denominational varieties in church design and worship. This leads to a vivid exchange among students and lecturers of the various denominations and fosters an appropriate usage of basic ecumenical-theological concepts in their interdenominational discourse. In a process of reflected self-reassurance, students learn to see each other through the eyes of other participants. This form of "trialogical learning" is accompanied by a booklet specifically designed for this course.

Nähere Beschreibung des Projekts

Die Lehrveranstaltung besteht aus vier großen Themenblöcken, in Anlehnung an das eigens für die Lehrveranstaltung geschriebene Begleitheft: „Erkunden, Sehen, Erleben, Verstehen. Ein gedanklicher Rundgang durch christliche Kirchen mit Einblicken in deren Leben und Glauben“ (Schriftenreihe der Lehre der KPH Wien/Krems; ISBN 978-3-9503396-5-9).

Anders als die „offiziell-amtliche Ökumene“, die sich vorrangig mit theologischen Fragen beschäftigt, geht diese LV auf dem Weg von der jeweiligen konfessionellen Praxis hin zum Verstehen der konfessionellen Besonderheit, und zwar in einem „trialogischen Geschehen“ der drei großen Konfessionen in Österreich (und speziell in der Stadt Wien). Daher gilt der interkonfessionelle „Trialog“ – ein offenes, partnerschaftliches Gespräch der Studierenden und Lehrenden dreier Konfessionen auf Augenhöhe – als die Hauptmethode dieser Lehrveranstaltung.

“Trialog“ wird in Einheiten der Lehrveranstaltung vor allem dann eingesetzt, wenn Vertreterinnen und Vertreter aller Konfessionen gemeinsamen, interkonfessionellen Unterricht haben. Die Phasen des interkonfessionellen Unterrichts wechseln sich mit Phasen des konfessionellen Unterrichts ab.

Dabei werden auch die Einheiten der konfessionellen Selbstvergewisserung immer in den ökumenischen Horizont gestellt. Auf diese Weise können die Studierenden die breite Basis des interkonfessionell Verbindenden als tragfähiges Fundament für den Umgang mit der konfessionellen Verschiedenartigkeit verstehen.

 

Der erste Themenblock - „Erkunden“ - besteht aus 8 Einheiten (vier interkonfessionelle und vier konfessionelle) und führt die Studierenden in die konkrete, kirchlich-ökumenische Situation ein. Sie machen sich mit dem Rüstzeug für das Erkunden „anderskonfessioneller Kirchenräume“ vertraut, die sie als „heilige Orte“ kennenlernen sollen, aber auch als Ausdruck (kirchen-)geschichtlicher Epochen und als Weise gestaltgewordener, christlich-religiöser Lebensäußerungen mit zahlreichen theologischen Implikationen.

Nach der Vorstellungsrunde der Lehrenden und der Studierenden und dem Vorstellen des Programms der Lehrveranstaltung, der Prüfungsanforderungen und des Begleithefts beginnt der erste thematische Block „Erkunden“ mit einer Denk-Runde. Um das Wissen der Studierenden über die jeweils anderen Konfessionen zu eruieren, sie bei ihrem derzeitigen Wissensstand abzuholen und ihre Neugier zu wecken, werden sie aufgefordert auf den Plakaten stichwortartig die Begriffe, Gefühle, Erinnerungen etc. aufzuschreiben, die Antworten auf Fragen geben: „Was verbinde ich mit Katholisch?“, „Was verbinde ich mit Evangelisch?“, „Was verbinde ich mit Orthodox?“

Nach dem Vorstellen der Plakate werden die Vorstellungen der anderskonfessionellen Studierenden über die eigene Konfession kommentiert, und zwar in Hinblick auf die Frage „Erkenne ich mich in diesem Fremd-Bild wieder?“ Dadurch kommen das Verhältnis vom Selbstbild und Fremdbild, sowie die Bedeutung eines sachlichen, vorurteilsfreien und kommunizierbaren Wissens zur Sprache. Bei den unbekannten und schwierigen Themen beteiligen sich die Lehrende am Gespräch.

In der nächsten Einheit mit dem Thema „Who ist who in Austria?“ geben die Lehrenden eine knappe interkonfessionelle Einführung in die je eigene Geschichte der Katholischen, Evangelischen und Orthodoxe Kirchen in Österreich, wobei auf die ökumenisch relevante Eckdaten besonders geachtet und auf die Verschränkung der Kirchengeschichte und der Ökumenischen Theologie stets hingewiesen wird.

In den nächsten vier konfessionellen Einheiten werden mittels Anschauungsmaterials der eigene Kirchenraum samt den kirchlichen Gegenständen aus Sicht von Kirchenkunst und Liturgik erarbeitet. Es geht um den architektonischen Aufbau der Kirche, um einzelne, bauliche Elemente und Einrichtung, ihre Veränderung im Laufe der Kirchengeschichte sowie um ihre symbolische Bedeutung.

Danach folgt die „Erkundung des Kirchenraumes“ und seiner Elemente, und zwar hinsichtlich ihrer liturgischen Funktion. Diese konfessionellen Einheiten dienen der Festigung des Wissens um den Kirchenraum im Bereich der eigenen Konfession sowie der Vorbereitung der Studierenden auf die Begegnung mit dem Kirchenraum und kirchlichen Gegenständen anderer Konfessionen.

In einer multikonfessionellen und multireligiösen Gesellschaft ist es von enormer Bedeutung, eine reflektierte konfessionelle Identität zu haben, um anderen verständig und offenherzig begegnen zu können. In diesem Sinne bekamen die Studierenden aller Konfessionen die Aufgabe, die im Begleitheft angeführten Kirchen anderer Konfessionen zu besuchen, den Besuch zu dokumentieren, Fragen aufzuschreiben und im nächsten Themenblock der Lehrveranstaltung im Plenum zu präsentieren.

 

Der zweite Themenblock der Lehrveranstaltung – „Sehen“ – besteht aus 8 Einheiten (4 interkonfessionelle und 4 konfessionelle). Ziel dieses Themenblocks ist es, zunächst die anderskonfessionellen Gotteshäuser in Augenschein zu nehmen. Dann sollen die Studierenden im Austausch mit den anderskonfessionellen Studierenden und Lehrenden ihre Erkundungen angemessen kommunizieren und diskutieren können. Somit entstehen auf einer theoretischen Metaebene erste, verbalisierbare, ökumenische Grundkategorien.

In den interkonfessionellen Einheiten des Themenblocks „Sehen“ präsentieren die Studierenden die Dokumentation ihres Besuchs eines anderskonfessionellen Kirchenraumes. Dabei findet eine „Expertenbefragung“ statt. Dabei bilden die Studierenden der drei Konfessionen drei Expertengruppen, die die Fragen der anderskonfessionellen Studierenden beantworten. Diese Expertenbefragung stellt bereits eine Übung für den Religionsunterricht dar. Das fachliche Wissen wird dadurch vertieft und erreicht einen hohen Grad der Kommunizierbarkeit, die für den Religionsunterricht, vor allem für den „dialogisch konfessionellen“ in der Schule conditio sine qua non ist. Die Expertenbefragung wird durch eine Zusammenfassung der Lehrenden in einem „trialogischen Gespräch“ abgerundet.

In den darauffolgenden, konfessionellen Einheiten wird auf das liturgische Leben der jeweiligen Kirche eingegangen: auf die (Haupt-)Gottesdienste, Sakramente und Sakramentalien, die Bedeutung der Ikonen, Statuen und Wandmalerei, aber auch von „Bildlosigkeit“, auf Feste und Feiertage, Fastenzeiten und nationalkulturelle Bräuche im Umfeld der liturgischen Themen. In Form eines „Selbstbedienungsladens“ werden unterschiedliche Materialien (Lehrbücher, Nachschlagwerke, wissenschaftliche Artikel, Links zu den Webseiten) zu verschiedenen Themen zur Verfügung gestellt. Die Studierenden wählen frei, in welchem Thema sie sich vertiefen möchten, bearbeiten das Thema selbständig und diskutieren sie im Plenum in der konfessionellen Gruppe.

Im Zuge der Vorbereitung auf den dritten Themenblock der Lehrveranstaltung bekommen die Studierenden im Team die Aufgabe, einen Gottesdienst einer anderen Konfession zu besuchen und diesen nach vorgegebenen Kriterien multimedial zu dokumentieren. Die Dokumentationen sollen im interkonfessionellen Plenum in dritten Themenblock vorgestellt werden.

 

Der dritte Themenblock der Lehrveranstaltung – „Erleben“ – besteht aus 12 Einheiten (8 interkonfessionellen und 4 konfessionellen). In diesem erleben die Studierenden die „anderskonfessionellen Gotteshäuser“ als Orte von „öffentlich-gemeinsamen Gottesdiensten“ wie auch der „privaten Frömmigkeit“. Dies ist für die später folgenden, auswertenden Lehreinheiten insofern von Bedeutung, als dass dabei - oft viel leichter nachzuvollziehen als in Lehrtexten - sich in authentischer Weise wesentliche kirchliche Gemeinsamkeiten wie auch konfessionelle Spezifika herausschälen lassen, die zum Erwerb von ökumenischen Grundkompetenzen beitragen.

Auf dieser Ebene liegen auch die intensive Auseinandersetzung mit der allen Konfessionen gemeinsamen Heilige Schrift, der Bibel, wie auch Themen, die einerseits wichtig für eine jeweilige Konfessionen sind, die jedoch darüber hinaus auch für die ökumenische Gemeinschaft wichtig sind und z.T. auch das gesellschaftliche Miteinander angehen.

In den ersten vier interkonfessionellen Einheiten präsentieren die Teams ihre multimedialen Präsentationen zum „Erleben“ eines anderskonfessionellen Gottesdienstes. Alle dabei aufgetretenen Fragen werden von einer Person der jeweiligen Konfession aufgeschrieben. Am Ende der Präsentationen bilden die Studierenden drei konfessionelle Expertengruppen und führen „Murmelgruppengespräche“, in denen sie sich über die gestellten Fragen beraten und entscheiden, wer welche Frage im Plenum beantworten wird. Bei Bedarf übernehmen die Lehrenden die Rolle der Außen-Experten und stehen Studierenden bei Seite.

In der nächsten interkonfessionellen Einheit geht es um die gemeinsame Glaubensgrundlage aller Christen – die Bibel, um ihre Entstehung und ihre jeweils spezifische konfessionelle Bedeutung bei der Verwendung biblischer Texte. Um die Verbindung zwischen der Bibelwissenschaft und Ökumene zu verdeutlichen, besuchen alle Studierenden und Lehrende gemeinsam das Bibelzentrum in Wien. Thematisiert werden verschiedene Bibelübersetzungen und ihre Bedeutung in konfessionellem Selbstverständnis, die Bibelausgaben und ihre Bedeutung im Horizont einzelner, kirchengeschichtlichen Epochen sowie die Bibel als Buch für den konfessionellen Unterricht und als ein Teil privater Spiritualität.

In weiteren, konfessionellen Einheiten des Themenblocks „Erleben“ werden die Texte der anderen Konfessionen gelesen und diskutiert: zentrale Themen katholischer (aus: „Katechismus der Katholischen Kirche“), evangelischer (aus: „Ev. Erwachsenenkatechismus“) und orthodoxer Theologie (aus: „Einführung in die orth. Theologie“). Wichtig ist, dass die Studierenden sich mit „Original-Texten“ und ihrer spezifischen Begrifflichkeit auseinandersetzen und auf Gemeinsamkeiten der Konfession und Unterschieden zwischen ihnen hinterfragen.

 

Der letzte, vierte Themenblock – „Verstehen“ – besteht aus 4 interkonfessionellen Einheiten. Auf der Grundlage der Bibel und anderer verbindlicher (Lehr-)texte der eigenen und auch der anderen Konfessionen, aber auch liturgischer Formen, Texte und Gebete gilt es, theologische Themen in Gemeinsamkeit, unterschiedlicher Entfaltung wie auch in spezifischer, konfessioneller Besonderheit eigenständig zu erarbeiten und in einer seitens der Studierenden frei gewählten Form (Vortrag, Posterpräsentation, Powerpoint usw. ) zu präsentieren. Dabei spielt der gedankliche Gang durch die bisherige Lehrveranstaltung eine wichtige Rolle. Es zeigt sich, dass die Studierenden ihre am Anfang thematisierten Fragen gezielt einbeziehen, die Verbindung zu den authentischen Äußerungen kirchlicher-konfessioneller Praxis verinnerlicht haben und von dort aus auf einer abstrakten Ebene „mit den Augen der anderen sehend“, ein ihnen wichtig gewordenes Thema zur Sprache bringen können. Sie zeigen, dass sie darüber hinaus eine grundlegende Kompetenz der ökumenischen Hermeneutik anwenden können: das Verbindende überwiegt, das Trennende und das Besondere ist eine Bereicherung für alle.

Positionierung des Lehrangebots

Die nominierte Lehrveranstaltung ist Teil des Curriculums „Bachelorstudium für das Lehramt Primarstufe“. Im Rahmen dieses Bachelorstudiums werden mehrere Schwerpunkte zur Auswahl angeboten. Einer davon ist „Religion“ und zwar für Studierende aller in Österreich anerkannten christlichen Konfessionen zur Ausbildung ihrer künftigen Religionslehrerinnen und Religionslehrer.

Die genannte Lehrveranstaltung wird für das 5. Semester als Anfang des „Schwerpunktstudiums Religion“ angeboten. Sie korreliert mit einer, interkonfessionelle Kompetenzen vertiefenden Lehrveranstaltung am Ende des Studiums und ist mit solchen verzahnt, welche die „Religionspädagogik unter dem Anspruch interreligiöser Kompetenz“ zum Gegenstand haben. Beide bilden die Basis für eine interkonfessionelle Lehrveranstaltung im Masterstudium, die aktuelle ethische Fragestellungen thematisiert.

Das Beispiel wurde für den Ars Docendi Staatspreis für exzellente Lehre 2019 nominiert.
Ars Docendi
2019
Kategorie: Kooperative Lehr- und Arbeitsformen
Ansprechperson
Marija Jandrokovic, Mag., BEd
Institut Ausbildung Wien
+43 (0) 699 1 925 36 60
Nominierte Person(en)
Marija Jandrokovic, Mag., BEd
Institut Ausbildung Wien
Hermann-Josef Röhrig, Univ. Prof. Dr.
Institut für Religiöse Bildung (christliche Konfessionen)
Alfred Garcia Sobreira-Majer, Dr., Mag.
Institut für Religiöse Bildung (christliche Konfessionen)
Themenfelder
  • Flexibel Studieren
  • Curriculagestaltung
  • Prozess der Curriculagestaltung
  • Lehr- und Lernkonzepte
  • Erfahrungslernen
Fachbereiche
  • Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften